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Hüttengaudi

Hüttengaudi

Titel: Hüttengaudi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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viel zu schnell nach Hause. Ihre Gedanken waren wirr. Ihr Herz raste, ihr Magen krampfte sich immer wieder zusammen. Sie konnte sowieso kaum essen.
    Irgendetwas passte nicht. Sie hatten Verdächtige ohne Alibis, sie hatten Motive, aber sie hatten keine Beweise. Sie hatten viele schöne Hypothesen und sonst nichts. Und immer wenn Irmi gar nichts mehr einfiel, setzte sie auf ihren wirksamsten Nothelfer: ihre Bergschuhe. Im Gehen lag etwas Meditatives, im Gehen konnte man sich auf den Rhythmus der Schritte konzentrieren. Was hatte auf diesem Schild gestanden? »Gedanken bergauf!«
    Auch ihre Gedanken mussten eine andere Richtung einschlagen und endlich ein Ziel erreichen. Sie sah immer wieder dieses Kreuz vor sich, und genau das war der springende Punkt. Über all den Befragungen, über all den Halbwahrheiten und Lügen stand immer noch dieses Kreuz. Wieso hätten Franz Utschneider oder Zwetkow solch einen Platz wählen sollen?
    Irmi rief kurz im Büro an. »Ich bin mal weg. Ihr könnt ja beim Chef vorsprechen, dass man mich abzieht.«
    Sie legte auf, noch bevor Kathi etwas erwidern konnte. Dann zog sie ihre Bergschuhe an, kraulte kurz den Kater, bückte sich zu Wally hinunter, die schwer atmend im Korb lag. Alt werden war eine solche Pein – nicht nur als Mensch.

13
    Am Laber war sie lange nicht mehr gewesen, aber angesichts ihrer Knie war ihr ein Berg lieb, den man ersteigen konnte, wo einen aber netterweise eine Bahn zu Tale trug. Warum manche Leute freiwillig hinauffuhren und stattdessen zu Fuß hinabliefen, war Irmi unverständlich.
    Sie parkte an der Bahn und ging los. Langsam und stetig stieg sie die erste kurze Passage bis zum Forstweg, und dort schritt sie zügiger aus. Es lag Feuchte in der Luft. Irmi schwitzte und empfand das als befreiend. Sie bog in den Wald ein und sah die Soilealm vor sich liegen.
    Um sie herum war es still, die Tiere waren ins Tal gegangen, der Bergsommer war zu Ende. Auf der Alm wechselten zwei junge Mountainbiker ihre Trikots und tranken aus einer BikeFlasche. Wahrscheinlich war in das Wasser so ein Turbopulver eingerührt, das Bärenkräfte verlieh. Er hatte auf ihrer letzten Wanderung so etwas dabei gehabt. Irmi war dermaßen übel von dem Zeug geworden, dass sie seither wieder auf das beste Getränk vertraute, das es gab: klares Wasser.
    Sie war lange nicht mehr hier gewesen, und der Blick über den Soile-See, der eher eine Sumpfwiese war, und hinüber in die Felszacken war erhebend. Gedanken bergauf! Beim letzten Mal, im Hochsommer, waren in den Felsen Haflinger herumgeturnt, als wären es Gämsen. Das alles waren Bilder, die man im Herzen verschließen konnte, schönere Bilder als jene, die momentan über die Leinwand zuckten.
    Irmi stieg den Serpentinenweg hinauf. Das Gute am Wandern war einfach, dass man sich auf einfache Dinge konzentrieren musste. Aufs Gehen und auf einfache Gedanken. Wie weit war es noch bis zum Weißbier zum Beispiel? Nicht mehr allzu weit, stellte sie fest. Es ging vorbei an Felsgnomen. Ihr bot sich ein atemberaubender Blick Richtung Süden. Zwei ältere Wanderer kamen ihr entgegen und grüßten. Es war generell ruhig an einem Donnerstag unter der Woche, an dem das Wetter auch nicht sonderlich gut war.
    Oben auf der Terrasse standen ein paar Leute, die allesamt so aussahen, als seien sie mit der Bahn heraufgekommen. Es war kühl, und wahrscheinlich würde es bald zu regnen beginnen. Irmi ging ins WC, wechselte ihr Shirt und nahm dann an einem Tisch Platz. Bei einem jungen Mann bestellte sie sich ein Weißbier, das auch prompt kam. Wenig später stand auch ein Leberkas mit Spiegelei vor ihr.
    Sie fühlte sich trotz der deftigen Mahlzeit leichter als die Tage zuvor, sie war auch schmaler geworden, der Bund der Wanderhose saß ziemlich locker. All diese schlaflosen Nächte, das Rumoren in den Gedärmen, der Schmerz im Magen – das zehrte wohl. Etwas Gutes musste man Martin zugestehen: Schon zum zweiten Mal in ihrem Leben fungierte er perfekt als Diät.
    »Noch eins?«
    Irmi hatte versonnen in Richtung Berge geschaut. Als sie sich umdrehte und die Hüttenwirtin sah, rief sie: »Martina, Mensch! Wie schön! Ich hatte schon gedacht, du wärst gar nicht heroben heute. Setz dich, oder hast du keine Zeit?«
    »Für dich doch immer. Lange nicht mehr da gewesen, Frau Kommissarin.« Martina lachte ihr herzliches Lachen.
    »Ja, leider. Da wohnst du dort, wo andere Urlaub machen, nimmst dir vor, wenigstens abends mal in die Berge zu gehen, aber da sind Termine, und da

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