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Huff, Tanya

Huff, Tanya

Titel: Huff, Tanya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blood Ties 02 - Blutspur
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einem
letzten besorgten Blick in die Schatten setzte er seinen Weg ins Dorf fort.
    Es war leicht zu
finden.
    Hartweißes Licht von
einem halben Dutzend auf LKW montierten Suchscheinwerfern beleuchteten den
Dorfplatz. Eine kleine Gruppe Dörfler stand an einer Seite zusammengedrängt,
bewacht von einer SS-Einheit. Ein Mann, der der Ortskommandant zu sein schien,
ging zwischen beiden auf und ab, während er sich in bester Nazimanier mit einem
Offiziersstöckchen gegen das Bein schlug. Außer dem Klopfen des Stockes gegen
die Kante der Lederstiefel war die Szene unwirklich still.
    Henry ging näher. Er
ließ die Wache leben. Bis er wußte, was vor sich ging, konnte ein weiterer
ungeklärter Todesfall möglicherweise eher schaden als nützen. Am Rande des
Platzes schlüpfte er in eine Toreinfahrt und wartete in seinem Versteck darauf,
was als nächstes geschehen würde.
    Das winzige Dorf hatte
zu seinen besten Zeiten, also nicht jetzt, wahrscheinlich nicht mehr als 200
Bewohner. Seine Lage sowohl in der Nähe der Grenze als auch nahe der
Eisenbahnlinie, die die Invasoren für den Vormarsch nach Norden brauchten,
machten es zu einem Brennpunkt

für die holländische
Widerstandsbewegung. Der Widerstand hatte Henry hergeführt, leider hatte er
aber auch die SS hergebracht.
    Auf dem Platz standen
einundsiebzig Dorfbewohner, hauptsächlich die Alten, die Jungen und die
Gebrechlichen. Sie waren aus ihren Betten gezerrt worden, trugen eine breite
Palette an Nachtgewändern und hatten alle einen fast identischen wachsamen
Gesichtsausdruck. Während Henry zusah, schleppten zwei schwerbewaffnete Männer
fünf weitere heran.
    „Sind das die
letzten?" fragte der Offizier. Als er eine Bestätigung erhielt,
marschierte er nach vorn.
    „Wir wissen, wo die
fehlenden Mitglieder eurer Familien sind", schnarrte er. Er sprach
Holländisch mit Akzent, aber verständlich. „Der Zug, den sie aufhalten wollten,
kommt nicht. Es war eine Falle, um sie herauszulocken." Er machte eine
Pause, um auf eine Reaktion zu warten, erntete aber nur wachsame Blicke. Obwohl
die, die alt genug waren, um alles zu verstehen, Angst hatten, verbargen sie es
gut. Henrys empfindliche Nase nahm den Geruch wahr, aber der Kommandant konnte
in keiner Weise feststellen, ob seine Neuigkeiten irgendeine Wirkung erzielt
hatten. Der scheinbare Mangel an Reaktion fügte seinen nächsten Worte Schärfe
hinzu.
    „Inzwischen sind sie
tot. Alle." Ein kleiner Junge erstickte einen Schrei, und der Kommandant
lächelte fast. „Aber es reicht nicht", fuhr er in sanfterem Tonfall fort,
„nur den Widerstand auszulöschen. Wir müssen jeden Gedanken an Widerstand
auslöschen. Ihr werdet alle hingerichtet und jedes Gebäude hier bis auf die
Grundmauern niedergebrannt werden, sowohl als Exempel dafür, was mit jenen
Zivilisten geschieht, die es wagen, den Widerstand zu unterstützen, als auch
dafür, was mit Untermenschen geschieht, die es wagen, sich der Herrenrasse zu
widersetzen."
    „Deutsche",
schnaubte eine alte Frau und hielt mit arthritischen Fingern krampfhaft ihren
verblichenen Bademantel zu. „Sie quatschen dich tot, ehe sie dich
erschießen."
    Henry war geneigt, dem
zuzustimmen - der Kommandant klang eindeutig, als hätte er zu viele
Propagandafilme gesehen. Doch das verminderte nicht die Gefahr. Ungeachtet
dessen, was Hitler sonst im Rahmen seiner „Wirtschaftsreformen" getan
hatte, es war ihm gelungen, Arbeit für jeden sadistischen Scheißkerl im Land zu
finden.
    „Du." Das
Offiziersstöckchen wies auf die Alte. „Komm her."

Sie schüttelte die sie
festhaltenden Hände von Freunden und Verwandten ab und trat leise murmelnd aus
der Menge heraus. Die Oberkante ihres Kopfes, auf dem das spärliche graue Haar
fest zu einem unkleidsamen Knoten geschlungen war, reichte dem Kommandanten
kaum bis zum Schlüsselbein.
    „Du", erklärte
er, „hast dich freiwillig gemeldet, die erste zu sein."
    Mit feuchten Augen,
die im gleißenden Licht der Scheinwerfer fast zugekniffen waren, hob sie den
Kopf und sagte etwas derart Unverschämtes und abgesehen davon auch biologisch
Unmögliches, daß es einem älteren Mann aus der Menge der Dorfbewohner ein
schockiertes: „Mutter!" entlockte. Nur um sicherzugehen, daß der
Kommandant sie verstanden hatte, wiederholte sie es auf Deutsch.
    Das Offiziersstöckchen
hob sich, um zuzuschlagen. Henry bewegte sich und merkte gleichzeitig, daß es
dumm und impulsiv war, konnte jedoch nicht an sich halten.
    Er packte auf dem
Höhepunkt des

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