Huff, Tanya
bitte!"
Vicki blickte finster, ein Besuch beim Augenarzt
versetzte sie nie in das, was man gute Stimmung hätte nennen können, und das
ganze Konzentrieren auf rechtes Auge, linkes Auge verursachte ihr ziemliche
Kopfschmerzen. „Was denn?" knurrte sie mit zusammengebissenen Zähnen.
„Sie schauen direkt auf die Testtafel."
„Und?"
Dr. Anderson unterdrückte einen Seufzer und
erklärte mit einer Geduld, die sie bei der Erziehung ihrer beiden Kinder
entwickelt hatte, mit unverbindlichem, vage beruhigendem Tonfall nicht zum
ersten Mal: „Wenn man direkt auf die Testtafel schaut, wird die Wirkung des
Tests aufgehoben, und wir müssen noch mal von vorn beginnen."
Und das würden sie auch. Immer und immer wieder,
wenn nötig. Vicki verkniff sich eine scharfe Bemerkung hinter zusammengepreßten
Lippen und versuchte zu kooperieren.
„Nun?" fragte sie schließlich, als Dr.
Anderson das Licht des Perimeters ausknipste und ihr bedeutete, den Kopf zu
heben.
„Es ist nicht schlimmer geworden... "
Vicki lehnte sich zurück und blickte in das Gesicht
ihrer Ärztin. „Ist es denn besser geworden?" fragte sie.
Diesmal machte Dr. Anderson sich nicht die Mühe,
ihren Seufzer zu unterdrücken. „Vicki, wie ich schon sagte, wird Retinitis
Pigmentosa nicht besser. Nie. Sie wird schlimmer. Oder", sie rollte das
Perimeter zurück an die Wand, „wenn Sie viel Glück haben, erreicht die
Degeneration einen gewissen Punkt und schreitet nicht mehr weiter fort."
„Habe ich diesen Punkt erreicht?"
„Das kann nur die Zeit sagen. Sie haben bereits
sehr viel Glück gehabt", fuhr sie fort und hob eine Hand, um Vickis
nächste Bemerkung abzuwehren, „in vielen Fällen wird diese Erkrankung von
anderen Arten neurodegenerativer Zustände begleitet."
„Taubheit, leichte Geistesschwäche, vorzeitige
Senilität und Fettleibigkeit." Vicki schnaubte. „Wir haben das am Anfang
durchgekaut, und nichts davon ändert etwas an der Tatsache, daß ich praktisch
über keine Nachtsicht mehr verfüge, der äußere Rand meines peripheren Sehvermögens
sich um 25° vermindert hat und ich kurzsichtig geworden bin."
„Das hätte auf jeden Fall passieren können."
Vicki schob sich die Brille wieder auf die Nase.
„Sehr tröstlich. Wann kann ich damit rechnen, blind zu werden?"
Die Nägel von Dr. Andersons rechter Hand trommelten
auf den Rezeptblock. „Sie werden vielleicht nie blind und haben trotz Ihres
Zustandes im Augenblick ein funktionsfähiges Sehvermögen. Sie dürfen sich
dadurch nicht verbittern lassen."
„Mein Zustand, wie Sie es nennen", fauchte
Vicki, stand auf und ergriff ihren Mantel, „hat dazu geführt, daß ich eine
Arbeit aufgab, die ich liebte, die in dieser Müllgrube, zu der die Stadt sich
entwickelt, einiges zum Besseren wendete, und wenn Ihnen das egal ist, dann
glaube ich, daß ich lieber verbittert bin." Sie schlug die Tür auf dem Weg
nach draußen nur mit äußerster Anstrengung nicht zu.
„Was ist mit Ihnen, Liebes, Sie sehen nicht sehr
glücklich aus?"
„Es war kein schöner Tag, Mrs. Kopolous."
Die ältere Frau schnalzte mit der Zunge und
schüttelte den Kopf über die Familienpackung Käsebällchen, die Vicki auf die
Theke gelegt hatte. „Verstehe. Sie sollten etwas Richtiges essen, Liebes, wenn
Sie sich besser fühlen wollen. Dieses Zeug da ist nicht gut für Sie. Und Sie
bekommen orangefarbene Finger davon."
Vicki sammelte ihr Wechselgeld ein und warf es in
die Tiefen ihrer Handtasche. Sie würde sich bald um das kleine Vermögen kümmern
müssen, daß das unten klimperte. „Mit manchen Dingen, Mrs. Kopolous, wird nur
Junkfood fertig."
Das Telefon klingelte, als sie in ihre Wohnung kam.
„Ja?"
„Da ist etwas am melodischen Klang deiner Stimme,
das diesen ganzen scheußlichen Tag aufwiegt."
„Halt doch die Klappe, Celluci." Vicki
balancierte den Hörer unter dem Kinn und kämpfte sich aus dem Mantel. „Was
willst du?"
„Ts, ts, das klingt fast, als ob da jemand die
Schuhe des Bischofs anhat."
Ungewollt mußte Vicki grinsen. Das passierte ihr
jedesmal, wenn er diese spezielle Pointe verwendete. Und Celluci wußte das
auch. „Nein, ich bin heute morgen nicht auf der falschen Seite des Bettes aufgestanden",
erklärte sie ihm, kippte ihren Bürostuhl nach hinten und warf sich hinein. „Wie
du sehr gut weißt. Aber ich komme gerade von einem Besuch bei der Augenärztin
zurück."
„Ah." Sie konnte sich vorstellen, wie er sich
zurücklehnte und die Füße hochlegte. Jeder Vorgesetzte hatte
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