Huff, Tanya

versucht, ihm das
abzugewöhnen, aber ohne erkennbaren Erfolg. „Die Augenärztin des Schicksals.
Ist es besser geworden?"
    Wenn er mitfühlend geklungen hätte, hätte sie das
Telefon durch den Raum geschleudert, aber er klang nur interessiert. „Es wird
nicht mehr besser, Celluci."
    „Ich weiß nicht. Ich habe diesen Artikel gelesen,
darin stand, daß hohe Dosen von Vitamin A und E das Gesichtsfeld verbessern und
die Adaption an die Dunkelheit erhöhen." Offenbar zitierte er.
    Vicki konnte sich nicht entschließen, ob sie
gerührt oder wütend sein sollte, weil er darüber gelesen hatte. Angesichts
ihrer Stimmung... „Fang etwas Nützlicheres mit deiner Zeit an, Celluci, nur zur
abetalipoproteninanämischen RP gehören biochemische Defekte." Er war nicht
der einzige, der einiges nachgelesen hatte. „Und das ist nicht, was ich
habe."
    „Abetalipoproteinanämischen", korrigierte er
ihre Aussprache, „und entschuldige mein Interesse. Ich habe herausgefunden, daß
es eine Reihe von Leuten gibt, die ein vollkommen normales Leben führen mit
dem, was du hast." Celluci machte eine Pause, und sie hörte, wie er einen
Schluck von etwas nahm, das zweifellos kalter Kaffee war. „Nicht, daß du",
fuhr er fort, und seine Stimme bekam eine gewisse Schärfe, „je ein Leben
geführt hättest, das man normal nennen könnte."
    Sie ignorierte seine letzte Bemerkung, nahm einen
schwarzen Filzstift und begann damit, ihre Frustration auf der Rückseite ihrer
Kreditkartenrechnung abzureagieren. „Ich führe ein vollkommen normales Leben",
schnauzte sie.
    „Indem du wegläufst und dich versteckst?" Sein
Tonfall ging am Sarkasmus vorbei, aber nur knapp. „Du hättest bei der Truppe
bleiben kön-..
    „Ich wußte, daß du wieder damit anfangen
würdest." Sie spie die Worte durch zusammengebissene Zähne aus, aber
Cellucis zornige Stimme übertönte die Schimpfkanonade, die sie gerade beginnen
wollte, und die Bitterkeit darin ließ sie verstummen.
    „... aber, oh nein, du konntest den Gedanken nicht
ertragen, daß du vielleicht nicht mehr die Wahnsinnsermittlerin sein würdest,
das goldhaarige Mädchen mit allen Antworten, daß du vielleicht nur ein Teil
des Teams sein würdest. Du hast gekündigt, weil du es nicht ertragen konntest,
nicht an der Spitze zu stehen, und wenn du nicht an der Spitze warst, wenn du nicht
an der Spitze sein konntest, dann würdest du lieber überhaupt nicht mehr
spielen! Also liefst du weg. Du nahmst dein Eimerchen und dein Schäufelchen
und hast gekündigt. Du hast mich sitzengelassen, Vicki Nelson, nicht nur deine
Arbeit!"
    Bei all ihren Streitereien - nach der Diagnose und
nach ihrer Kündigung - war es das gewesen, was er hatte sagen wollen. Es faßte
all die Stunden des Streits, die Brüllduelle, die zuknallenden Türen zusammen.
Vicki wußte es, genau wie sie es wußte, wenn sie den Schlüssel fand, das
winzige, scheinbar unbedeutende Teilchen, das einen Fall löste. Alles an diesem
letzten Satz sagte: Das ist es.
    „Du hast das gleiche getan, Celluci", sagte
sie ruhig, und obwohl sich ihre Fingerknöchel weiß um den Hörer geklammert
hatten, legte sie ihn sanft auf. Dann schleuderte sie den Filzstift durchs
Zimmer.
    Ihr Zorn verschwand mit ihm.
    Er sorgt sich um dich, Vicki. Warum ist das so ein
Problem?
    Weil man Liebhaber leicht findet und Freunde, die
gut genug sind, daß man sie anbrüllen kann, weitaus seltener sind.
    Sie fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar und
seufzte. Er hatte recht, und das hatte sie durch ihre Reaktion auch zugegeben.
Sobald ihm klar wurde, daß sie auch recht hatte, konnten sie beginnen, die
neuen Parameter für ihre Beziehung festzulegen. Falls, kam ihr plötzlich in den
Sinn, letzte Nacht nicht die Abschiedsvorstellung gewesen war, die es ihm
ermöglichte, endgültig von ihr loszukommen.
    Wenn es das war, sie schob ihre Brille die Nase
hoch, dann hatte ich wenigstens das letzte Wort. Wie die Dinge lagen, war das
kein großer Trost.

 
    „Na, wenn das nicht der gute alte Norman Birdwell
ist. Wie geht's dir, Norman? Dürfen wir uns zu dir setzen?" Ohne eine Antwort
abzuwarten, zog der junge Mann einen Stuhl unter dem Tisch hervor und setzte
sich. Die vier anderen Mitglieder seiner Gruppe folgten seinem Beispiel.
    Als die Balgerei um Platz vorüber war, fand Norman
sich eingequetscht zwischen den breiten Schultern zweier Sportler, die er als
Roger und Bill kannte, und alle drei starrten sie über den Tisch auf drei junge
Damen. Er erkannte die Blonde —