Huff, Tanya
Abkühlen zu geben. Sie breitete den detaillierten Stadtplan von Toronto,
den sie eben gekauft hatte, auf ihrem Küchentisch aus und beschloß, ihn später
anzurufen. Im Augenblick hatte sie zu tun.
Es war leicht zu vergessen, wie groß Toronto
eigentlich war. Es hatte eine ganze Reihe kleinerer Orte verschlungen und
machte keine Anstalten, damit aufzuhören. Die Innenstadt, das Bild, das jeder
von der Stadt hatte, nahm nur einen sehr kleinen Raum des Ganzen ein.
Vicki malte einen roten Kreis um die U-Bahn-Station
Eglinton West, einen weiteren um die ungefähre Lage des Gebäudes von Sigman's
in der St. Clair West und einen dritten um die Baustelle, wo DeVerne Jones
gestorben war. Dann runzelte sie die Stirn und zog eine Linie durch alle drei.
Unter Berücksichtigung kleiner Ungenauigkeiten bei der Plazierung der zweiten
und dritten Position halbierte die Linie alle drei Kreise und lief von Südwesten
nach Nordosten durch die Stadt.
Die beiden neuen Morde schienen keine Verbindung zu
den ersten dreien zu haben, sondern eine eigene Linie zu beginnen.
Und es gab noch mehr.
„Niemand kann so blöd sein", murmelte Vicki
und kramte in ihrer Schreibtischschublade nach einem Lineal.
Die ersten beiden Todesfälle waren genauso weit von
einander entfernt wie der vierte und fünfte. Gemessen an mathematischen
Richtlinien alles andere als genau, aber viel zu genau, um Zufall zu sein.
„Niemand kann so blöd sein", wiederholte sie
und schlug das Lineal in ihre Handfläche. Die zweite Linie verlief von
Nordwesten nach Südosten und reichte bis zu einem Kreis, der sein Zentrum bei
der Kreuzung Woodbine/Mortimer Street hatte. Vicki wäre jede Wette eingegangen,
daß zwischen Mitternacht und Sonnenaufgang am Ende der Linie eine sechste
Leiche auftauchen würde.
Direkt westlich der York University kreuzten sich
die Linien.
„Das X kennzeichnet den Ort." Vicki schob ihre
Brille die Nase hoch, runzelte die Stirn und schob sie erneut hoch. Das war zu
einfach. Es mußte einen Haken geben.
„Okay... " Sie warf das Lineal auf den
Stadtplan und zählte die Punkte an den Fingern ab. „Erste Möglichkeit: Der
Mörder will gefunden werden. Zweite Möglichkeit: Der Mörder kann ebenso wie
ich Linien auf einem Stadtplan ziehen, hat ein Muster aufgebaut, das überhaupt
nichts zu sagen hat, sitzt in Scarborough und platzt fast vor Lachen über die
bescheuerte Polizei, die darauf hereingefallen ist." Zum Zweck dieser
Übung waren sie und die Polizei dasselbe. „Dritte Möglichkeit:" Sie starrte
den dritten Finger an, als könne er die Antwort liefern. „Wir jagen einen
Vampir, während der Vampir uns jagt, und wer weiß schon, wie ein Vampir
denkt."
Celluci konnte genauso wie sie Linien auf einem
Stadtplan zeichnen, aber sie griff trotzdem zum Telefon. Gelegentlich entging
ihm das Offensichtliche. Zu ihrer Überraschung war Celluci da. Seine Reaktion
war keine Überraschung.
„Das Ei will schlauer als die Henne sein,
Vicki."
„Dann kann ich also davon ausgehen, daß Torontos
Beste heute Nacht an der Kreuzung Mortimer/Woodbine versammelt sein
werden?"
„Du kannst ausgehen, wovon du willst, ich könnte
dich niemals daran hindern, aber wenn du glaubst, daß du und deine kleine
Nancy-Drew-Detektivausrüstung irgendwo dort in der Nähe sein werden, dann irrst
du dich."
„Was willst du dagegen tun?" Wie konnte er es
wagen, ihr Vorschriften zu machen? „Willst du mich verhaften?"
„Wenn ich muß, werde ich dich verhaften." Sein
Tonfall sagte, daß er genau das tun würde. „Du gehörst nicht mehr zur Truppe,
du bist nachts praktisch blind und du wirst weitaus eher als Leiche als als
Heldin enden."
„Ich habe es nicht nötig, mich von dir wie ein Baby
behandeln zu lassen, Celluci!"
„Dann benimm dich wie eine Erwachsene und bleib daheim!"
Sie knallten praktisch gleichzeitig den Hörer aufs
Telefon. Mike wußte, daß sie dort sein würde, und sie wußte, daß er es wußte.
Außerdem hatte sie keinen Zweifel daran, daß er sie, wenn ihre Wege sich
kreuzen sollten, zu ihrer eigenen Sicherheit aufgrund erfundener Anklagen einsperren
würde. Die Chancen standen auch mehr als gut, daß er, nachdem er nun
vorgewarnt war, sie sofort einsperren würde, wenn er glaubte, daß er damit
durchkommen konnte.
Celluci hatte recht. Sie war praktisch nachtblind.
Aber die Polizei jagte einen Menschen, und Vicki
glaubte nicht mehr daran, daß ein Mensch etwas mit diesen Todesfällen zu tun
hatte. Blind oder nicht, wenn sie dort war, könnte
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