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Huff, Tanya

Huff, Tanya

Titel: Huff, Tanya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blood Ties 01 - Blutzoll
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Ahnung.

Das Flackern offener Flammen erregte ihre
Aufmerksamkeit, und sie schlich einen Seitengang entlang, bis sie in eine
Nische in der Südwand blicken konnte. Drei oder vier Reihen von Kerzen in roten
Glasgefäßen erhoben sich vor einem Wandgemälde, das von einem Scheinwerfer beleuchtet
wurde. Die Madonna, gekleidet in Blau und Weiß, hatte die Arme ausgebreitet,
als wolle sie eine müde Welt umarmen. Ihr Lächeln bot Trost, und der Künstler
hatte eine gewisse Traurigkeit um ihre Augen herum eingefangen.
    Wie viele ihrer Generation war Vicki nur
näherungsweise christlich erzogen worden. Sie kannte die Symbole der Kirche und
den geschichtlichen Hintergrund, aber das war auch alles. Nicht zum ersten Mal
fragte sie sich, ob sie etwas Wichtiges verpaßt hatte. Sie zog die Handschuhe
aus und schlüpfte in eine Bank.
    Ich weiß noch nicht einmal, ob ich überhaupt an
Gott glaube, gestand sie dem Wandgemälde entschuldigend. Aber schließlich habe
ich bis heute auch nicht an Vampire geglaubt.
    Es war warm in der Kathedrale, und das Nickerchen,
das sie am Nachmittag gemacht hatte, schien weit weg zu sein. Langsam glitt
sie auf das polierte Holz hinunter, und langsam begann das Gesicht der Madonna
zu verschwimmen...
    In der Ferne zerbrach etwas mit dem harten,
entschiedenen Knall, der einem erfahrenen Ohr sagte, daß es mit Wucht auf den
Boden geworfen worden war. Vicki regte sich und öffnete die Augen, schien aber
nicht genug Energie aufbringen zu können, um sich zu bewegen. Sie saß zusammengesunken
in der Kirchenbank, in einer seltsamen Mattheit gefangen, während die Geräusche
der Zerstörung näher kamen. Sie hörte Männerstimmen schreien, eher
selbstzufrieden als zornig, verstand aber die Worte nicht.
    In der Nische schien der Scheinwerfer durchgebrannt
zu sein. In Schatten gehüllt, nur von den Reihen flackernder Kerzen
beleuchtet, lächelte die Madonna weiter traurig, die Arme für die Welt
ausgebreitet. Vicki runzelte die Stirn. Die Kerzen waren weiße Stumpen, das
Wachs troff unregelmäßig herunter und sammelte sich auf den Metallständern und
dem Steinboden, wo es verhärtete.
    Aber die Kerzen waren in Gefäßen gewesen... und der
Boden, der Boden war mit einem Teppich bedeckt gewesen...

Ein Krachen, lauter und näher als die anderen, ließ
sie tatsächlich zusammenzucken, brach jedoch nicht die Trägheit, die sie in
der Bank festhielt.
    Sie sah zuerst das Axtblatt, dann den Stiel, dann
den Mann, der ihn hielt. Er stürmte durch den Seitengang von der Vorderseite
der Kirche, vom Altar, heran. Seine dunkle Kleidung war mit Gipsstaub bedeckt,
und durch die offene Vorderseite seiner dicken Lederweste glaubte Vicki einen
Schimmer von Gold zu sehen. Kerzenlicht spiegelte sich in den bunten
Glassplittern, die sich in den Stulpen seiner weiten Stiefel verfangen hatten.
Schweiß hatte sein kurzes Haar nachgedunkelt, das grob der Kopfform folgend
geschnitten war, und seine Lippen waren gefletscht und enthüllten seine gelben
Zähne.
    Er blieb am Eingang der Nische abrupt stehen,
schöpfte Atem und hob die Axt.
    Sie stoppte kurz vor dem Lächeln der Madonna, und
der Griff knallte in die erhobene Hand des jungen Mannes, der plötzlich in
ihrem Weg aufgetaucht war. Der Axtschwinger fluchte und versuchte, die Waffe
freizubekommen. Die Axt blieb genau dort, wo sie war.
    Aus Vickis Blickwinkel schien es, als habe der
junge Mann sein Handgelenk leicht gedreht und dann seinen Arm gesenkt, aber er
mußte mehr getan haben, denn der Axtschwinger fluchte wieder, ließ los und fiel
beinahe hin. Er stolperte zurück, und Vicki bekam ihren ersten guten Blick auf
den jungen Mann, der nun die Axt vor seinem Körper hielt.
    Henry Fitzroy. Die Reihen flackernder Kerzen hinter
ihm betonten den rotgoldenen Schimmer in seinem Haar und schufen beinah einen
Heiligenschein um seinen Kopf. Er trug die Farben der Madonna: breite Streifen
schneeweißer Spitze an Kragen und Manschetten und ein weißes Hemd, das sich
durch die zerhauenen Ärmel seiner hellblauen Jacke bauschte. Seine Augen, die
tief im Schatten lagen, waren zusammengekniffen, und er riß die Hände hoch.
    Der Axtstiel brach. Das Geräusch hallte in der
Nische wider, dicht gefolgt von dem Klappern, als beide Stücke auf den Boden
fielen. Vicki sah nicht, wie Henry sich bewegte -das nächste, was sie sah, war,
daß er den Axtschwinger mit einer Faust an der Vorderseite seiner Weste hochgehoben
hatte und dessen Füße über dem Boden baumelten.
    „Die Heilige Jungfrau steht

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