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Huff, Tanya

Huff, Tanya

Titel: Huff, Tanya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blood Ties 01 - Blutzoll
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sank, und dafür war sie dankbar. Der vage Umriß, an den sie sich erinnern
konnte, bedeutete genug Entsetzen, und ihr Verstand schreckte weiterhin vor der
Erinnerung daran zurück. An den Geruch nach Verwesung erinnerte sie sich aber
hervorragend.
    Es war weder der Anblick noch der Geruch gewesen, der
sie davon überzeugt hatte, daß Henry die Wahrheit sagte. Beides konnte getürkt
sein, wenn sie auch keine Vorstellung davon hatte, wie oder warum. Ihre eigene
Reaktion überzeugte Vicki. Ihr eigenes Entsetzen. Die Weigerung ihres
Verstands, sich klar an das zu erinnern, was sie gesehen hatte. Das Gefühl des
Bösen, widerlich und kalt, das von der Finsternis ausgegangen war.
    Vicki zog ihre Jacke enger um sich; das Frösteln,
das ihr eine Gänsehaut verursachte, hatte nichts mit der Temperatur der Nacht
zu tun.
    Ein Dämon. Zumindest wußten sie jetzt, wonach sie
suchten. Sie wußten es? Nein, sie wußte es. Sie lächelte, als sie sich
vorstellte, wie sie all dies Mike Celluci erklären würde. Er war nicht
dagewesen, er würde glauben, daß sie den Verstand verloren hatte. Verdammt,
wenn ich nicht dagewesen wäre, würde ich auch denken, daß ich den Verstand
verloren hätte. Außerdem konnte sie es Celluci nicht erzählen, ohne Henry zu
verraten...
    Henry. Der Vampir. Wenn er nicht das war, was er zu
sein behauptete, warum sollte er sich dann die Mühe machen, eine derart
komplizierte Geschichte zu erfinden?
    Egal, tadelte Vicki sich selbst. Dumme Frage. Sie
hatte pathologische Lügner gekannt, hatte ein paar davon verhaftet, mit einem
zusammengearbeitet, und das Warum war nie eine Frage, mit der sie sich
abgaben.
    Henrys Geschichte war so kompliziert gewesen, daß
sie einfach wahr sein mußte. Oder etwa nicht?
    An der College Street blieb sie stehen. Nur einen
Block weiter westlich konnte sie die Lichter des Polizeipräsidiums sehen. Sie
könnte hineingehen, einen Kaffee schnorren und mit jemandem reden, der sie
verstand. Über Dämonen und Vampire, ja klar. Plötzlich schien das Präsidium
sehr weit entfernt zu sein.

Sie konnte daran vorbei und weiter in Richtung
Westen die Huron Street entlang heimgehen, aber trotz allem war sie nicht müde
und wollte sich nicht in Mauern einschließen, bis sie all die Finsternis über
Finsternis aus den Schatten verbannt hatte. Sie beobachtete eine Straßenbahn,
die vorbeiratterte, die Kapsel aus Wärme und Licht bis auf den Fahrer leer, und
ging Richtung Süden zur Dundas weiter.
    Als sie sich der massigen Glas- und Betonstruktur
des Eaton's Center näherte, hörte sie die Glocken der St. Michael Cathedral
schlagen. Bei Tage übertönte das Umgebungsgeräusch der Stadt ihren Ruf, aber in
der stillen, ruhigen Zeit vor Sonnenaufgang hallten sie im ganzen Stadtkern
wider. Unbedeutendere Glocken fielen ein, aber die Glocken von St. Michael
herrschten vor.
    Ohne wirklich zu wissen warum folgte Vicki ihrem
Klang. Sie hatte einmal einen Rauschgifthändler die Stufen der Kathedrale
hochgejagt, vor vielen Jahren, als sie noch Uniform trug. Er hatte die Türen
gepackt und Kirchenasyl begehrt. Die Türen waren verschlossen gewesen. Offenbar
traute nicht einmal Gott der Nacht im Herzen einer großen Stadt. Der
Rauschgifthändler hatte sich den ganzen Weg zum Auto zurückgekämpft und es gar
nicht komisch gefunden, als Vicki und ihr Partner darauf bestanden, ihn als
Quasimodo zu bezeichnen.
    Sie erwartete eigentlich, die schweren Holztüren
wieder verschlossen vorzufinden, aber zu ihrer Überraschung schwangen sie
lautlos auf. Genauso lautlos schlüpfte sie hinein und zog sie hinter sich zu.
    Ruhe bitte, bat ein Pappschild, das auf einem
glänzenden Messingbodenständer befestigt war, Nachtwache zur Heiligen Woche
läuft.
    Ihre Gummisohlen quietschten leise auf dem
Fußboden, als Vicki das Gotteshaus betrat. Nur etwa die Hälfte der Lichter war
an, was in der Kirche ein unwirkliches, fast mystisches Zwielicht schuf. Vicki
konnte sehen, aber nur gerade so eben und nur, weil sie nicht versuchte, sich
auf Details zu konzentrieren. Ein Priester kniete am Altar, und die ersten paar
Bankreihen waren vereinzelt mit stämmigen Frauen in Schwarz besetzt, die
aussahen, als seien sie aus der gleichen Form gestanzt. Das schwache Gemurmel
der Stimmen, die, wie Vicki vermutete, zum Gebet erhoben waren, und das noch
schwächere Klicken von Rosenkranzperlen störte die lastende Stille nicht, die
über dem Gebäude lag. Warten; es fühlte sich an, als warteten sie. Worauf,
davon hatte Vicki keine

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