Huff, Tanya
Präzision, warf die beiden
Bleistiftstücke in den Papierkorb und ging einen Schritt nach vorne. Ihre Welt
konzentrierte sich auf die beiden wäßrig blauen Kreise unter silbergrauen
Brauen, die auf sie herabfunkelten. Sie machte einen weiteren Schritt. Ihre
Zähne waren so fest zusammengebissen, daß die Anspannung in ihren Ohren
summte.
„Na los", feixte er. „Greifen Sie mich an. Ich
lege Ihnen so schnell Handschellen an, daß Ihr Arsch festsitzt, bevor Ihr Kopf
weiß, was passiert ist."
Mit allen verfügbaren Mitteln gelang es Vicki, die
Beherrschung zu behalten. Sie zu verlieren, würde nichts bringen, und, so sehr
sie auch haßte, es zuzugeben, Gowan hatte recht. Ihr Rang schützte sie nicht
länger, weder vor ihm noch vor dem System. Sie bewegte sich irgendwie durch
den roten Nebel ihrer Wut, und es gelang ihr, das Revier zu verlassen.
Auf den Stufen begann sie zu zittern und mußte sich
gegen die Mauer lehnen, bis es aufhörte. Hinter sich konnte sie hören, wie sich
Gowans Stimme wieder hob. Der diensthabende Sergeant würde die ganze Wucht
seines Zorns abbekommen, und es machte sie wütend, daß es nichts gab, was sie
dagegen tun konnte. Hätte sie geahnt, daß der Staff-Sergeant an seinem freien
Tag auf dem Revier vorbeischauen würde, dann hätten sie noch nicht einmal die
Horden der Hölle dorthin gebracht.
Gowan sehnte sich verzweifelt danach, ein Detective
zu werden, war aber nie aus der Uniform herausgekommen. Er ignorierte die
Tatsache, daß die Staff-Sergeants praktisch die Polizei leiteten und wollte so
dringend ein Inspektor werden, daß man es körperlich spüren konnte. Er war
jedoch zweimal bei Beförderungen übergangen worden und wußte, daß er es jetzt
niemals mehr schaffen würde. Er haßte Vicki aus beiden Gründen und haßte sie um
so mehr, weil sie eine Frau war, die die Jungs in ihrem eigenen Spiel
geschlagen hatte. Und schließlich und endlich haßte er sie, weil sie ihn
gemaßregelt hatte, nachdem sie ihn dabei erwischt hatte, wie er ein Kind in der
Arrestzelle mißhandelte.
Vicki erwiderte das Gefühl. Macht zieht immer
diejenigen an, die sie missbrauchen werden. Sie hatte diesen Satz aus dem
Orientierungskurs an der Polizeischule niemals vergessen. An manchen Tagen war
es leichter, sich daran zu erinnern, als an anderen.
Sie war zu aufgewühlt, um öffentliche
Verkehrsmittel zu benutzen, also winkte sie ein Taxi heran und dachte, ich
pfeif auf die zwanzig Dollar, die die Heimfahrt wahrscheinlich kosten wird.
Der Nachmittag war nicht völlig verschwendet. Sie
würde einen Freund anrufen, der sich mit Computern auskannte, ihm die
Informationen über das gestohlene System geben und sehen, ob er ihr genau
sagen konnte, wofür ein System wie dieses benutzt werden würde. So ziemlich für
alles, vermutete sie, aber es konnte nie schaden nachzufragen, und vielleicht
bekamen sie so einen weiteren Hinweis auf den Dämonenbeschwörer.
Sie lehnte sich in die schlecht riechende
Polsterung zurück, während der Regen gegen die schmierigen Scheiben des Taxis
klatschte. Wie viele Hacker mit schwarzen Lederjacken, Sturmgewehren und ihrem
eigenen persönlichen Dämon kann es schließlich schon in Toronto geben?
Celluci tauchte kurz nach neun auf.
Vicki warf einen Blick in sein Gesicht und sagte:
„Sie haben dich mit Samthandschuhen angefaßt."
„Als ob sie auf Eierschalen laufen würden",
stimmte er finster blickend zu.
„Sie meinen es gut."
„Sag du mir nicht, was sie meinen." Er warf
seinen Mantel über einen Stuhl. „Ich weiß, was sie meinen!"
Der Streit, der sich daraus entwickelte, ließ sie
beide schlaff und ausgepumpt zurück. Als er vorüber war, als seine
unvermeidliche Folge vorüber war, schob Vicki das feuchte Haar aus Cellucis
Stirn und küßte ihn sanft. Er seufzte, ohne die Augen zu öffnen, aber seine
Arme schlossen sich fester um sie. Sie schnappte mit einer Fingerspitze nach
dem Federbett, zog es über sie beide, streckte sich wieder aus und schaltete
das Licht aus.
Es gab einen sehr guten Grund, warum so viele Cops
auf die eine oder andere Art mit Drogenmißbrauch anfingen. Während der vier
Jahre ihrer Beziehung, bis Vicki die Polizei verlassen hatte, hatte sie als
Mike Cellucis Überdruckventil fungiert, und er war für sie das gleiche
gewesen. Nur weil die Situation sich geändert hatte, mußte sich das nicht
ändern. Sie wußte nicht, was er in den acht Monaten gemacht hatte, in denen sie
nicht miteinander gesprochen hatten. Sie wollte es auch nicht
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