Huff, Tanya
Geldbörse - das Kleingeld in seiner Hosentasche nicht mitgerechnet -, und weitere hundert
Dollar klebten für den Ernstfall unter dem Fahrersitz seines Wagens. Dieses Geld wollte er mitnehmen - den
Wagen selbst würde er stehenlassen.
Auf dem Weg
zur Tür hielt er noch einmal an und blickte zurück auf das Telefon. Sollte er auf Fitzroys Anrufbeantworter eine Nach richt
für Vicki hinterlassen? Nach kurzem Nachdenken entschied er sich dagegen. Cantree würde wahrscheinlich alle
Nummern überprü-
fen, die er, Mike, in den letzten Tagen angewählt hatte, und wenn Fitzroys
Nummer auf dieser Liste auftauchte ...
„Wie gut, daß ich da vorhin nicht angerufen habe!" Sein Ego paßte anscheinend gut auf ihn auf.
Er legte die Kette vor, zog die Tür heran und konnte hören, wie sich die
Riegel vorschoben. Sein Sicherungssystem war von einem der besten Experten für Einbruchdiebstahl entworfen worden, den die Stadt hatte. Cantree würde die Tür aufbrechen
lassen - die Polizei ging ja oft
viel weniger subtil vor als diejenigen, die sie verhaftete -, aber das
System würde die Affen zumindest ein wenig aufhalten.
Durch die stahlverstärkte Eichentür hörte er sehr leise das Telefon klingeln. Das mochte Vicki sein. Die Zeit, die er brauchen würde, um zurückzugehen und den Anruf entgegenzunehmen, hatte er nicht mehr. Wenn es denn Vicki war ... Vicki war immer in der Lage gewesen, auf
sich selbst aufzupassen, und zudem war sie momentan in Sicherheit: Er war es, hinter dem Cantree her war, nicht sie.
Die Arrestzelle roch nach Erbrochenem, Urin, billigem Alkohol und schwitzendem Polyester, auf dem sich in vielen Jahren die Aus dünstungen
verzweifelter Menschen Schicht auf Schicht abgelagert hatten. Ein halbes Dutzend müde wirkender Prostituierter wartete auf den morgendlichen Transport zum Gericht; sie
standen dicht in einer Ecke zusammengedrängt und sahen zu, wie Mallard
Vicki unsanft auf einer Pritsche ablud.
„Weswegen habt ihr die verhaftet?" fragte eine große Brünette und
zog etwas zurecht, was entweder ein breiter Gürtel oder aber ein sehr kurzer Rock war.
„Das geht dich verdammt noch mal gar nichts an", grunzte Mallard, der sich mit den Handschellen abmühte und Vicki grob gegen die Wand
preßte.
Die Nutte verdrehte die Augen, und ihre Kolleginnen nickten.
„Was mußte
ich da eben sehen?" fragte Gowan. Er stand vor der Gitterzelle und hatte die Grimasse der Frau mitbekommen, die Mallard entgangen war. „Haben Sie gegen die
Antwort des Beamten etwas einzuwenden?"
„Nein." Die Stimme der Frau
klang jetzt fast schon servil. „Nein, gar nichts!"
Gowan lächelte: „Das freut mich zu hören, die Damen."
Die Brünette blickte Gowan demütig an und zeigte ihm, sorgfältig hinter dem Rücken einer Gefährtin verborgen, den Stinkefinger. Die Frauen von der Straße lernen schnell, daß es grundsätzlich nur zwei Kategorien von Polizisten gibt: Die meisten sind ganz normale Männer, die einfach ihrer Arbeit nachgehen, ein paar Ausnahmen jedoch lieben
nichts mehr als einen guten Grund, den Gummiknüppel zu schwingen und sich
selbst als Strafrichter zu betätigen. Traf man auf so einen, dann mußte man ihm
so schnell und so heftig die Füße küssen wie
irgend möglich, sonst lief man Gefahr, die eigene Handelsware zu beschädigen.
Mallard
fluchte leise, während er die Handschellen an Vickis Ge lenken zurechtdrehte, um einen besseren Winkel für seinen Schlüssel zu
finden. „Die verdammten Dinger stecken fest... na endlich!" Die Handschellen fielen in seine Hände, und er richtete
sich auf. Nun, da er sie nicht mehr stützte, sackte Vicki um und
rutschte seitwärts von der Pritsche zu Boden.
Jede ihrer Bewegungen schien fremdbestimmt; jeder Winkel ihres Hirns war mit Zuckerwatte verstopft - und dennoch konnte Vicki alles, was um sie herum vor sich ging, deutlich wahrnehmen. Sie war in den Arrestzellen des Metro East Detention Centers in der Disco Road.
Mallard und Gowan hatten dem diensthabenden Sergeanten ihre
Handtasche zugeworfen und sie selbst an dem Mann vorbeige schleppt, wobei Gowan diesem über die Schulter
zurief: „Warte nur, bis du die
Geschichte hier zu hören bekommst..." Nun wollten die beiden sie
offensichtlich in der Arrestzelle lassen. Eingesperrt. Sie hatten ja gesagt, es
läge ein Haftbefehl vor.
Was zum Teufel wird hier gespielt?
Es gelang Vicki, sich auf Mallards Gesicht zu konzentrieren. Der Hurensohn lächelte.
„Zu dumm, wenn ein Bulle die Seiten wechselt", sagte er
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