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Huff, Tanya

Huff, Tanya

Titel: Huff, Tanya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blood Ties 03 - Blutlinien
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und zu klein. Können Sie sich selbst anziehen,
Hanover?"
    „Jh..." Mein Gott, das war ja fast schon ein Wort. Sie versuchte es noch einmal, alle Erniedrigung vergessend nach diesem einen kleinen Sieg
über ihren Körper. „Ja, ja, ja."
    „Schon gut, ich habe verstanden! Oh je, Sie sabbern ja schon wieder."
    Mit jedem Kleidungsstück kehrte auch ein Stück Kontrolle zurück. Vickis
Bewegungen waren immer noch abgehackt und unsicher, aber irgendwie schaffte sie es, die blaue Gefängniskluft überzustreifen, wobei sie auf nichts anderes achten konnte als auf den Kampf gegen ihren eigenen Körper. Die Hände funktionierten. Die Finger nicht. Ihr
Gleichgewichtssinn war noch gestört, und größere Bewegungen brachten sie stark ins Schwanken, aber sie lehnte
sich an die Wand und kletterte in die Unterwäsche, die Jeans, die Schuhe.
Am T-Shirt wäre sie fast gescheitert - sie
fand die Öffnung für den Kopf nicht und
geriet in Panik. Von außen zogen Hände das Hemd herunter und rissen ihr
dabei fast die Nase ab.
    „Los,
Hanover, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit für Sie."
    Die Wirkung läßt nach, Gott sei Dank. Sobald ich reden kann, werden hier
jemandem die Ohren abfallen! So vorsichtig, als fädele sie eine Nadel ein, griff Vicki nach ihrer Brille. Dickson war schnel ler.
    „Die können Sie vergessen. Sie werden ohne auskommen müs sen."
    Es war Vicki nie in den Sinn gekommen, daß sie ihr die Brille ab nehmen
könnten. Aber natürlich bekam man sie abgenommen - Ge fangene mit speziellen Bedürfnissen zumindest. Eine Brille konnte als Waffe eingesetzt werden.
    Aber ohne meine Brille kann ich nicht sehen!
    Schon war es
mit all ihrer im Kampf um die Muskelkontrolle so mühsam errungenen Fassung auch
schon wieder vorbei.
    Dann bin ich blind.
    Genau davor hatte
sie sich gefürchtet, seit man bei ihr Retinitis Pigmentosa diagnostiziert
hatte.
    Blind.
    „N..." Vicki hob den Arm wie einen Schlagstock, schlug die Hand der Schließerin aus dem Weg und versuchte, sich ihre Brille vom Stapel der
abgelegten Kleider zu greifen. Aber ihre Finger konnten sich nicht schnell genug schließen, und mit einem raschen Stoß warf die
andere sie gegen die Wand.
    „He, das kommt hier nicht in die Tüte! Wenn Sie Widerstand leisten,
legen wir Ihnen die Zwangsjacke an, verstanden?"
    Sie verstehen
das nicht. Meine Brille ...
    Vickis Angst stand ihr überdeutlich ins Gesicht geschrieben. Dickson
runzelte die Stirn und sagte brüsk: „Passen Sie auf. Wenn Sie den Psychiater überzeugen können, daß Sie nicht zu denen mit besonde ren
Bedürfnissen gehören, geben wir Ihnen die Brille wieder."
    Hoffnung. Der
Psychiater würde sie anhören. Würde wahrschein lich sogar die Droge benennen können.
    „Nun kommen Sie schon, ich habe wirklich nicht den ganzen Tag Zeit. Ich werde ja wohl auch den Rest der Schicht damit zubringen können, Ihre Handtasche zu sortieren!"
    Die Welt war zum Tunnel geworden. Vicki schlurfte diesen Tunnel entlang, und ihr Herz tat einen Satz nach dem anderen, als Türen und Möbel und Menschen ohne Vorwarnung aus dem Nichts auf sie
zuzuspringen schienen. Sie stieß sich das Knie an irgendeiner Kante und schlug sich die Schulter an einer Ecke an, die sie nicht sehen
konnte.
    Dickson
seufzte, als sie ihre Schutzbefohlene durch die erste ver schlossene Tür hindurch in den Aufenthaltsraum
bugsierte. „Viel leicht ist es besser, wenn Sie die Augen
schließen."
    Der Lärm war
überwältigend; das Geschirrklappern einer gut besuchten Cafeteria in einer
ohrenbetäubenden Lautstärke, ein Durcheinander an Frauenstimmen, aus der man
keine einzige heraushören konnte. Essensgeruch überlagerte den Gefängnisgeruch,
und Vicki merkte, wie hungrig sie war: Sie
hatte um einundzwanzig Uhr am Vorabend
zuletzt etwas gegessen. Ihr lief das Wasser im Mund zusam men, und ihr Magen knurrte laut.
    „Sie haben uns
gerade noch gefehlt, Dickson!" rief eine Frauen stimme. „Wir zählen hier gerade die Löffel. Sie müssen die Neue
    hier rausschaffen, bis wir fertig sind und alle zum Saubermachen eingeschlossen
haben."
    „Oh, welche
Freude", murmelte Dickson unwillig, und Vicki erstarrte, als die
Schließerin sie gegen die Wand drückte. „Sie bleiben hier stehen und rühren sich nicht", fuhr Dickson fort. „Das Mit tagessen haben Sie ja wohl verpaßt, aber bei dem
Fraß hier ist das vielleicht eher ein Segen."
    Vicki spürte, daß Menschen sie anstarrten. Am Rande ihres Sichtfeldes
konnte sie als verschwommene Masse eine Reihe von

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