Hulamädchen auf Abwegen
gut«, sagte ich
versöhnlich. »Was machen wir jetzt?«
»Jetzt kennen Sie den Vorgang«,
erwiderte sie, »das heißt, jetzt wissen Sie Bescheid und sitzen mit uns im
selben Boot.«
»Sehr aufschlußreich«, knurrte
ich. »Aber wäre es nicht vielleicht angebrachter zu handeln, als hier
herumzusitzen und Däumchen zu drehen? Wir haben gerade ein so herziges, kleines Verschwörerquartett beisammen. Warum machen wir uns dann
nicht gleich auf, wo doch das Gold nur darauf wartet, von uns ausgegraben zu
werden? Worauf warten wir noch? Auf gutes Wetter vielleicht?«
»Es gibt leider ein
ausschlaggebendes Detail, das Emerson mir unglücklicherweise nie verraten hat«,
gab sie zurück, und ihre Stimme hatte einen süßen und doch messerscharfen
Klang. »Ich hätte eigentlich angenommen, daß Sie bei Ihrer sprichwörtlichen
Klugheit schon dahintergekommen wären, Danny. Er hat mir nie den genauen Ort
verraten, wo das Gold vergraben ist. Wir wissen nur, daß es irgendwo auf Niihau sein muß. Und Niihau hat
eine Gesamtfläche von einhundertfünfundachtzig Quadratkilometern. Wenn Sie Lust
haben, kaufe ich Ihnen einen kleinen Spaten, und Sie können noch heute mit dem
Umgraben der Insel beginnen.«
»Ich bin dumm«, gab ich
geschlagen zu. »Aber Sie haben sich doch sicher irgend etwas Raffiniertes einfallen lassen.«
»Habe ich auch«, sagte sie
kühl. »Emerson weiß, wo das Gold ist. Und er befindet sich auch schon in
Honolulu. Um nach Niihau zu gelangen, braucht er
seine Jacht. Und ich weiß, daß sie morgen im Laufe des Vormittags im Hafen
eintrifft. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als Emerson und seine Jacht mit
in unsere Pläne einzubeziehen. Wir brauchen beides. Also warten wir, bis diese
beiden Faktoren zusammentreffen.« Sie blickte mich erwartungsvoll an.
»Sie denken an — Piraterie?«
fragte ich, während ein Knoten im Hals mir die Kehle zuschnürte.
»Was denn sonst?« meinte sie
gleichgültig. »Seien Sie morgen früh um zehn bei Choy ,
Danny. Sie werden erwartet.«
»Geht es morgen schon los?«
»Noch nicht. Aber wir werden
Kriegsrat abhalten«, antwortete sie. »Und kommen Sie nicht zu spät. Choy ist ein feinfühliger Mensch. Er könnte auf die Idee
kommen, daß Sie ein doppeltes Spiel treiben und uns womöglich an der Nase
herumführen.« Dann schenkte sie mir ihr hochkarätiges Lächeln und flüsterte
zart: »Und wer möchte schon mit einem Messer im Rücken diese schöne Welt
verlassen?«
»Oder mit durchschnittener
Kehle«, gab ich ebenso zart zurück.
Ihre Augen starrten mich
feindselig an. »Oder mit durchschnittener Kehle«, wiederholte sie kalt.
6
Nachdem Virginia Reid gegangen
war, stellte ich mich lange unter die Dusche und dachte nach, was aber mit
keinem sonderlich großen Erfolg beschieden war. Wenn Blanche Arlington nicht
ermordet worden wäre, hätte ich von alldem, was Virginia mir erzählt hatte,
nicht ein einziges Wort geglaubt. Falls Emerson Reid mir die Wahrheit gesagt
hatte, als er mich in New York beauftragte, war seine verblichene Freundin
Blanche diejenige gewesen, die die Anwesenheit seiner Frau und des Kapitäns in
Honolulu festgestellt hatte. Aber war das ein ausreichender Grund gewesen, sie
umzubringen? Als ich sie gestern abend anrief, hatte
sie mir gesagt, sie habe mir eine Menge Neuigkeiten mitzuteilen. Was hatte sie
gewußt, das so wichtig war, daß man sie hatte umbringen müssen, um sie am Reden
zu hindern?
Ich zog mich langsam an und
überlegte, ob das Gold tatsächlich existierte, und wenn ja, ob es dann immer
noch auf Niihau vergraben war. Offensichtlich
schienen alle anderen, die mit der Sache zu tun hatten, fest davon überzeugt zu
sein. Vielleicht schloß ich mich am besten der vorherrschenden Meinung an. Bei
allem Wohlwollen Virginia gegenüber mußte ich annehmen, daß sie mir nur die
Hälfte der Wahrheit erzählt hatte. Die andere Hälfte war zusammenphantasiert
oder wurde mir einfach vorenthalten. Nun, vielleicht würde ich morgen vormittag um zehn Uhr etwas mehr erfahren — bei Choy . Der Gedanke an Choy stimmte
mich augenblicklich wieder heiterer, da mir gleichzeitig Susan Tong einfiel.
Als ich schon im Flur stand,
unterwegs zur Bar, dachte ich plötzlich, es könne nichts schaden, meinen Smith and Wesson Masterpiece
mitzunehmen. Ich kehrte um, betrat meinen Lanai und kramte den 38er aus den Tiefen meiner Reisetasche hervor. Dann zog ich
das Jackett aus, schnallte die Halfter mit dem Revolver um und zog das Jackett
wieder an.
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