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Hundeleben

Titel: Hundeleben
Autoren: Wolfgang Zander
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noch immer. Ich Idiot.
    »Haben Sie eine Ausbildung gemacht oder haben Sie sich selbst zum Privatdetektiv ernannt?«
    »Sie können ja zur Konkurrenz gehen, wenn Sie nicht zufrieden sind.«
    Ihr Lachen wurde merklich kälter.
    »Zufrieden? Nein. Ich bin nicht zufrieden. Aber niemand wechselt die Pferde mitten im Fluss. Nicht mal die Amis machen das. Und die machen alles Mögliche.«
    »Die Waffe.« Ich streckte die Hand aus. Sie sah gar nicht hin. Sie warf die 38er zurück ins Schubfach. Auch gut. Dann setzte sie sich auf meinen Stuhl. Ich setzte mich ihr gegenüber. Verkehrte Welt. Oder auch nicht. Vielleicht war das genau die Welt, die mir zustand. Die Umkehrung dessen, was ich mir vorstellte. Vielleicht stand meine Welt Kopf, vielleicht aber auch nur ich. Eines Tages würde ich es herausfinden. Möglicherweise würde es nicht mein schönster Tag werden. Na und, ich war einiges gewöhnt.
    »Wie geht es nun weiter?«, fragte sie ohne jede Begeisterung.
    »Ich brauche ein Bild von Mark und ich möchte mir ein Bild von Ihrer Wohnung machen. Wie wäre es mit heute Abend? Gegen acht?«
    »Heute Abend? Warum nicht.« Sie taxierte mich ernst. »Haben Sie ein Lieblingsessen?«
    »Na ja.« Ich hatte ein Lieblingsessen. Es hieß Chicken-Döner mit Currysoße und war für 2,30 Euro im Laden meines Lieblingstürken auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu haben.
    »Ich esse, was auf den Tisch kommt«, sagte ich.
    »Ihre Schuld«, sagte sie und verschwand.

13
    Das Durcheinander wuchs. Das schien eins von den Gesetzen zu sein, die einfach so in der Welt waren und scheinbar sogar stimmten. Thermodynamik eben, nur auf einer anderen Ebene. Am Anfang sah alles ganz einfach aus. Geldkoffer mit zwei Millionen, verschwundener Mann, Frau, die einen Mann verfolgt, das Übliche also. Dann kamen die ungeplanten Geschichten ins Spiel. Das Geld verschwand und der verfolgte Typ entpuppte sich als Blödmann. Ganz zu schweigen vom Brand im Kino nebenan. Ich musste mich konzentrieren. Und ich musste aufpassen. Sonst verlor ich den Durchblick.
    Draußen wurde es dunkel. Ich stellte das Radio an. Afrikaner sollten mehr Insekten essen, gab der Nachrichtensprecher bekannt. Der Vorschlag kam aus Kreisen der UNO. 100 Gramm getrocknete Raupen würden 53 Gramm Proteine, 15 Prozent Fett und 17 Prozent Kohlenhydrate enthalten. Der Energiewert betrage 430 Kilokalorien. Raupen seien reich an Mineralien und enthielten –   je nach Art –   viel Kalzium, Zink, Kalium, Magnesium und Eisen sowie zahlreiche Vitamine. Bereits 100 Gramm deckten den Tagesbedarf eines Menschen an Mineralien und Vitaminen. Ich fragte mich, ob man im Südsudan den Sender auch empfangen konnte. Ich fragte nur, um überhaupt etwas zu fragen.
    »Guten Appetit!«, sagte ich und drehte dem Radio den Saft ab.
    Den Fernseher hatte Cleo irgendwann mitgenommen. Ich vermisste ihn nicht. Cleo dagegen vermisste ich schon. Vor allem nachts.
    Das Telefon klingelte. Ich nahm ab.
    »Privatdetektiv Gass , Sie wünschen.«
    Auf der anderen Seite wurde aufgelegt. Na so was. War ich zu freundlich gewesen? Ich schaute auf die Uhr. Es ging auf sechs zu. Ich hatte noch Zeit für einen kleinen Ausflug in Sachen Mark.
    Der Technikladen, in dem Mark laut Sylvias Angaben jobbte bzw. jobben sollte, befand sich im Potsdam-Center. Das Potsdam-Center beherbergte eine Ladenstraße und den Bahnhof. Es sah genauso aus, wie man sich in einer Stadt wie Potsdam ein solches Bauwerk nicht vorstellt. Allerdings kann man über Architektur wunderbar streiten. Zumindest solange, bis die Gewöhnung einsetzt. In dieser Stadt hatten sich mittlerweile alle an den Anblick des Centers gewöhnt, mit dem zukünftigen Landtag würde es wohl nicht anders laufen. Entsetzen, lautstarke Empörung, Gewöhnung, Gleichgültigkeit. Gab es Leute, die dieses Muster einkalkulierten? Eindeutige Antwort: Ja.
    Ich ging am Platz der Einheit entlang, durchquerte Potsdams verlorene und noch immer nicht wiedergefundene Mitte, kam zur Langen Brücke und hielt auf den Eingang des Centers zu. Der heraufziehende Herbst warf seine Schatten voraus. Ein trübes graues Licht lag über allem. Die wenigen Leute, die mir entgegen kamen, wirkten missmutig. Warum? Zu ihren Füßen lag die schönste Stadt Deutschlands. So jedenfalls hatte es Potsdams OB formuliert. Und der musste es ja schließlich wissen.
    Im Center angekommen fackelte ich nicht lange. Ich knipste ein leises Ich-bin-ein-netter-Mensch-Lächeln an und trat an die Infotheke des Technikshops.
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