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Hundeleben

Titel: Hundeleben
Autoren: Wolfgang Zander
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Schneller Vorstoß, schnelle Ergebnisse.
    »Ich möchte zu Mark Müller. Können Sie mir sagen, wo ich ihn finden kann?«
    » Is nich da.«
    Die Frau am Tresen hatte mir erwartungsvoll entgegen gelächelt. Es war ein schönes Lächeln gewesen. Professionell, aber nett. Vielleicht sah ich aus wie jemand, der einen High-End-Computer zu kaufen gedachte. Bei Nennung des Namens Mark Müller verrutschte ihr Lächeln. Dann verschwand es. Es würde so schnell nicht wieder auftauchen. Schade.
    »Hat Herr Müller Feierabend?«
    »Feierabend? Sieht das hier nach Feierabend aus?«
    Nein, danach sah es nicht aus. Es sah nach einem ganz gewöhnlichen Geschäftstag aus. Und der war noch lange nicht vorüber.
    »Wissen Sie, wo ich ihn finden kann?«
    »Krank.«
    Das Thema schien sie zu verärgern. Vielleicht wurde sie ja nie krank.
    »Was Ernstes?«, fragte ich.
    »Vielleicht, vielleicht auch nicht.«
    »Seit wann fehlt Herr Müller?«
    »Wer will das wissen?« Sie wurde jetzt misstrauisch. Ziemlich spät für eine Potsdamerin. Vielleicht war sie nicht von hier. »Hat er was ausgefressen?«, fügte sie mit aufkeimender Hoffnung in der Stimme hinzu.
    Ich setzte alles auf eine Karte. Ich beugte mich leicht nach vorn, gab meinem Gesicht einen sehr ernsten Ausdruck und flüsterte: »Ja, er hat was ausgefressen. Aber das muss unter uns bleiben. Streng vertraulich.«
    Ihre Augen begannen zu leuchten.
    »Was?«
    »Tut mir leid. Das kann ich Ihnen nicht sagen. Später vielleicht. Sie verstehen …«
    Sie nickte. Ihre Augen leuchteten stärker.
    »Dieser Müller …«
    »Ja.«
    »Macht ständig krank.«
    Ich schaute sie aufmunternd an.
    »Vor vier Tagen hat er einen Krankenschein geschickt. Rückenschmerzen. Möchte wissen, wo der seine Krankschreibungen herkriegt. Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu.«
    »Rückenschmerzen?«
    »Rückenschmerzen. Kein Arzt kann das Gegenteil beweisen, wenn Sie ihm mit Rückenschmerzen kommen. Mit Rückenschmerzen sind Sie immer auf der sicheren Seite.«
    Sie schien sich auszukennen.
    »So. Vier Tage, sagten Sie?«
    »Kriegt er jetzt Ärger?«
    »Er hat ihn schon.«
    Ihre Augen legten weiter an Leuchtkraft zu.
    »Können Sie mir sagen, wo er wohnt?«, fragte ich leichthin.
    »Ich würde Ihnen gerne helfen, aber leider …« Sie schien es wirklich zu bedauern.
    »Hat er Freunde hier?«
    »Freunde? Ja, so kann man das auch nennen.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Verstehen Sie mich nicht falsch …«
    Ich verstand sie überhaupt nicht.
    »Er ist, na, Sie wissen schon. Und das ist auch gut so.« Für Verschwörungstheoretiker hätte ihr Gesichtsausdruck als Firmenlogo herhalten können.
    Ich sagte nur: »Ist er schwul?«
    » Mhm «, sagte sie und blinzelte ein wenig. Die Leuchtkraft in ihren Augen wich einem leichten Ausdruck von Unbehagen.
    »Sauerei«, sagte ich. Ich sagte ihr nicht, was ich damit meinte. Schon gar nicht, was ich dachte. Ich dachte an Sylvia Keller. Und an die Verabredung mit ihr. Die Verabredung würde nett werden. Sehr nett.
    »Oh ja«, sagte sie. Ich wusste, was sie meinte.
    »Wo finde ich den Geliebten?«
    Sie zuckte zusammen. Das Wort Geliebter schien sie zu kennen. Nur verband sie andere Reizgegenstände damit, als jene, die jetzt zwischen uns verhandelt wurden.
    »An der CD-Theke. Der mit dem Ohrring. Mike Langner . Aber sagen Sie ihm nicht …«
    Ich hörte nicht mehr, was ich ihm nicht sagen sollte. Ich hätte es ihm ohnehin nicht gesagt. Egal, was sie mir gesagt hätte.
    Ich ging an den Auslagen entlang und sammelte Radioheads › Hail to the Thief ‹ und Jonny Cashs › The Man Comes Around ‹ ein. So bewaffnet trat ich an den CD-Tresen.
    »Hallo Mark«, sprach ich den farblosen Ohrring-Typen vor mir an. »Ich möchte gern in die Scheiben rein hören. Wenn das möglich wäre.«
    »Ich heiße Mike.«
    Manchmal war es fast schon zu einfach. Mike schnappte sich meinen Namenslapsus wie ein Fisch den Wurm und kaute ein bisschen darauf herum. Mal sehen, ob noch mehr kam.
    »Entschuldigung, Mike. Ich darf doch Mike zu dir sagen?«
    Er schaute auf die CDs, dann auf meine Hände, schließlich nickte er. Offenbar erschien ich ihm vertrauenswürdig, warum auch immer.
    »Mark steckt in Schwierigkeiten. Ich will ihm helfen.«
    Mike schaute mich fragend an. Sein Gesicht wurde noch farbloser. Mike hatte kleine graue Augen, eine große Nase und buschige Augenbrauen. Der Ring in seinem rechten Ohr war so unscheinbar wie der Ringträger selbst. Mike entsprach dem Klischee eines Schwulen in etwa
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