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Hundeleben

Titel: Hundeleben
Autoren: Wolfgang Zander
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zu sich heran. Zwanzig Zentimeter, zehn Zentimeter, fünf Zentimeter. Ich war gerade dabei, die Augen zu schließen, da drehte sie ab. Reingefallen. Sie war das größte Biest, das mir in den letzten 500 Stunden begegnet war. Und mir waren einige begegnet.
    »Folgen Sie mir bitte«, sagte sie und das tat ich auch. Wir liefen durch den Flur und betraten linkerhand ein etwa 20 Quadratmeter großes Zimmer.
    Die Wohnung ähnelte vom Schnitt her der gegenüberliegenden, in der Meyerheim wohnte. Allerdings fehlte ihr der kühle Bunkercharme. Zum Glück.
    Sylvias Wohnung strahlte eine lässige und gewollte Eleganz aus, die auf der Basis eigenhändig zusammengeschraubter Ikeamöbel fußte. Von Millioneninvestitionen keine Spur. Noch nicht. Die Abwesenheit jeglichen barocken Mobiliars war wohltuend. Nichts von Nippes, goldenen Drehuhren und sonstiger Wohnverschlimmerungskultur. In Sylvias Reich herrschte Sachlichkeit. Wer aber herrschte über Sylvia? Mark? Möglich. Immerhin existierte er. Soviel hatte ich bereits herausgefunden. Und ich hatte herausgefunden, dass er Sylvia nicht besuchte, um mit ihr zu kuscheln. Oder war Mark ein Allrounder? War er auf verschiedenen Gebieten aktiv?
    »Setzen Sie sich!« Sie wies auf ein Sitzmöbel, das für mindestens zwei Personen ausgelegt war. Ich tat, was sie verlangte. Dann übernahm ich die Initiative.
    »Einen netten Nachbarn haben Sie«, bemerkte ich.
    »Ja.«
    »Waren Sie mal in dessen Wohnung?«
    » Mmh …«
    »Er hat, wie soll ich sagen, eine etwas unkonventionelle Raumgestaltung.«
    »Ach …«
    »Ich meine, dieser Typ, der tickt doch nicht ganz richtig.«
    »Ja?«
    »Na ja. Kennen Sie ihn schon lange?«
    »Was heißt lange?«
    Die Konversation ließ sich zäh an. Vielleicht lag es an meinen Fragen. Ein Themenwechsel erschien nicht unangebracht.
    »Was gibt es denn Feines zu essen?«
    »Sind Sie wegen des Essens gekommen?«
    »Sie haben gesagt …«
    »Ich weiß, was ich gesagt habe.«
    Nein. Auch der Themenwechsel brachte nichts. Sie schien schlecht gelaunt. Kein Wunder. Sie hatte zwei Millionen gewonnen und vor allem hatte sie sie wieder verloren. So etwas kann selbst normale Leute aus dem Gleichgewicht bringen.
    Einfühlungsvermögen war gefordert.
    »Also gut. Kommen wir zur Sache, Frau Keller. Wo lag das Geld und wer hat bzw. hatte Zutritt zu Ihrer Wohnung?«
    »Sie sind ein Profi, was?« Der Tonfall gefiel mir nicht. Man kann Dinge so sagen, man kann sie aber auch anders sagen. Einmal können sie bedeuten, was sie bedeuten, und ein andermal können sie genau das Gegenteil bedeuten. Wie gesagt, der Ton macht die Musik und der Tonfall macht die Aussage. Sylvias Aussage war: Sie sind ein Loser. Wieso gebe ich mich überhaupt mit Ihnen ab?
    »Ja, ich bin ein Profi. Ich habe eine Lizenz. Wenn Sie nicht wollen, dass ich weiter für Sie arbeite, brauchen Sie das nur zu sagen. Dann machen wir einen Vertrag zur Aufhebung unseres Vertrags und ich schicke Ihnen die Abschlussrechnung. Sie haben sicher das Kleingedruckte gelesen. Wenn der Auftraggeber ohne Angabe von nachvollziehbaren Gründen den Auftrag plötzlich und einseitig kündigt, fällt die doppelte Stundengebühr an, plus einer Auftragsausfallzahlung. Man muss sich vor Leuten schützen, die häufig ihre Meinung ändern. Davon gibt es leider sehr viele. Und es werden immer mehr.«
    »Es gibt Soljanka.«
    »Es gibt … was?« Dieser Fall steckte voller überraschender Wendungen, selbst in den Details.
    »Soljanka. Sie wissen doch, was das ist?«, hakte Frau Keller nach.
    Natürlich wusste ich das. Schließlich hatte ich die Suppe oft genug ausgelöffelt. Aber in den Zeiten von Scampi , Tapas und sonstigen lukullischen Freiheiten hatte Soljanka auf einem privaten Speisezettel nichts zu suchen. Das war meine Meinung. Sylvia Keller schien anderer Meinung zu sein.
    »Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!« Ich versuchte zu retten, was zu retten war.
    »Was für ein Vergnügen?«, fragte sie.
    Langsam fühlte ich mich missverstanden.
    »Ich möchte meinen Job machen«, sagte ich.
    »Fällt Ihnen das nicht ein bisschen spät ein?«
    »Ich dachte, diesen Punkt hätten wir bereits geklärt.«
    »Nicht zu meiner vollen Zufriedenheit, fürchte ich.«
    »Was wollen Sie? Soll ich auf den Knien herumkriechen und Sie um Verständnis anflehen?«
    »Ja. So in etwa hatte ich mir das vorgestellt.«
    »Also schön, ich habe mich absichtlich ins Koma versetzen lassen. 48 Stunden Tiefschlaf als Wellnesskur gegen die Unbilden der kalten und
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