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Hundeleben

Titel: Hundeleben
Autoren: Wolfgang Zander
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hartherzigen Welt. Kostenpunkt 500 Euro. Sind Sie jetzt zufrieden?«
    »Koma?«
    »Beim Aufwachen litt ich unter ungeplanten Albträumen. Meinen Sie, ich sollte die Zahlung auf 400 Euro zurückfahren?«
    »Ich hoffe, es waren richtige Albträume.« Sie meinte, was sie sagte. Jedenfalls sah es danach aus.
    Die Situation ging mir langsam auf die Nerven, das Soljanka-Getue ging mir auf die Nerven, Sylvia ging mir auf die Nerven. Morgens Albträume, abends Nervenschaden, was für ein wunderbarer Tag!
    »Wer ist Mark Müller?«
    »Mark ist mein Freund. Das habe ich Ihnen bereits gesagt.«
    »Sie schlafen mit ihm?«
    »Ist das so ungewöhnlich?«
    »Er ist schwul.«
    »Wirklich?« Sie schien nicht überrascht zu sein, hatte ich auch nicht erwartet.
    »Haben Sie das ganz allein herausgefunden?«
    »Lüge Nummer eins: Mark. Er ist nicht Ihr Liebhaber. Lüge Nummer zwei: Geld. Es hat nie existiert. Lüge Nummer drei: Soljanka. Kein normaler Mensch kocht dieses Zeug, schon gar nicht freiwillig.«
    »Ich bewundere Sie.«
    Sie setzte sich neben mich. Ich rückte ein wenig von ihr ab. Nicht allzu weit, die kleine Ikea-Couch ließ dafür nicht allzu viel Raum. Kein Problem.
    »Was eins und drei betrifft haben Sie recht. Bei zwei muss ich energisch widersprechen.«
    Sie kam näher heran.
    »Zwei Millionen. Haben Sie die schon mal auf einem Haufen gesehen? Diesen Anblick vergisst man nicht. Und wenn man alles vergisst. Das nicht. Selbst Mister Alzheimer kann dieses Bild nicht aus dem Gehirn kratzen. Nichts. Nur der Tod. Und wissen Sie, was das Schlimmste ist? Man will diesen Haufen immer wieder sehen. Nicht nur einmal. Sondern immer, jeden Tag. Das ist wie eine Sucht.«
    Etwas war in ihren Augen, das mir sagte, sei vorsichtig, Mann. Ich versuchte, noch ein Stück von ihr wegzukommen. Ging nicht.
    »Und deshalb sind Sie hier, Herr Privatdetektiv Siegfried Gass . Weil ich süchtig bin.«
    Ein feines Lächeln entstand in ihren Mundwinkeln und breitete sich langsam nach oben hin aus. Es war, als würde ein sehr dünnes Tuch vom Kinn her über ihr Gesicht gezogen. Ich bekam Lust, das Tuch herunterzureißen. Vielleicht bestand ihr Gesicht aus verschiedenen Schichten von Stoff. Vielleicht würde ich unter dem Tuch eine weitere Schicht finden und darunter wieder eine und immer so weiter. Vielleicht würde ich ja etwas Wichtiges finden. Vielleicht aber auch gar nichts.
    »Ist was, Herr Gass ? Warum starren Sie mich so an?«
    »Sie sind also süchtig?«, schnaufte ich leicht verlegen.
    »Sind Sie vielleicht krank?«, erwiderte sie. Sylvia schien ehrlich besorgt.
    »Ein bisschen mitgenommen. Von den letzten 48 Stunden. Aber das wird schon wieder.«
    »Ganz sicher?«
    »Wer wusste von dem Geld?« Ich nahm einen neuen Anlauf. Wenigstens die Routine wollte ich abarbeiten.
    »Mark und ich.« Endlich schien sie kooperationsbereit.
    »Wer noch?«
    »Was heißt, wer noch?«
    »Wer noch, heißt wer noch. Zum Beispiel weiß ich auch von dem Geld.«
    »Sie zählen nicht.« Ich zählte nicht? Vielleicht gab es ja noch ein paar Leute, die in ihren Augen nicht zählten. Hoffentlich waren es nicht allzu viele.
    »Frau Keller, hat Sie jemand beobachtet? Haben Sie versehentlich das Geld in einem Gespräch erwähnt?«
    »Nein.«
    »Was ist mit Ihrem Nachbarn?«
    »Herr Meyerheim? Na ja.« Sie schaute mich durchdringend an. »Sie glauben doch nicht etwa …«
    »Ich glaube gar nichts.«
    Sie schaute missgelaunt auf ihre Fingernägel. Soweit ich sah, waren sie in Ordnung.
    »Ich bat ihn, meine Tür im Auge zu behalten. Ich habe nicht gesagt weshalb.«
    »Was haben Sie ihm gesagt?«
    »Diese Spur ist kalt.«
    »Was wissen Sie von Spuren?«
    »Tun Sie doch nicht so, als seien Sie cooler als Mike Hammer.«
    Mike Hammer! Wo hatte sie das aufgeschnappt. Ich verstand langsam, was in ihrem hübschen Kopf falsch lief. Falscher Input. Falsche Vorstellungen. Die Vorstellungen in ihrem Kopf hatten nichts mit der Wirklichkeit zu tun, jedenfalls nicht mit der Wirklichkeit, wie ich sie kannte. Meine Wirklichkeit war geprägt von aufreibendem Kleinkram im Dschungel des Alltäglichen. Vom Überlebenskampf auf dem Hochseil des Normalen. Ihre Wirklichkeit dagegen schien aus Versatzstücken zu bestehen. Die meisten dieser Versatzstücke hatte sie dort her, wo man sie den Leuten in Bild und Ton nachwarf, im Dutzend.
    »Hammer ist Fiktion. Das hier ist die Wirklichkeit, Frau Keller.«
    »Sind Sie da ganz sicher?«
    »Wie viele Leute haben Sie noch auf das Geld angesetzt? Meinen Sie
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