Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Hundeleben

Titel: Hundeleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Zander
Vom Netzwerk:
gleich viel besser zu laufen.
    »Kennen Sie einen Mann …«
    »Ja.«
    »Der gern in Schwarz geht, als hätte er gerade seine Zukunft beerdigt?«
    »Ja.«
    »Ja? Name, Alter, Adresse!«
    »Haben Sie sich mal im Spiegel angeschaut?«
    Das hatte ich, wie gesagt, am Morgen. Mir war nichts Besonderes aufgefallen.
    »Ja, habe ich. Was hat das mit meiner Frage zu tun?«
    Sie würdigte mich keines Blickes, einer Antwort schon gar nicht. Nachbarn, dachte ich und sah an mir herab. Schwarze Hose, schwarzes Hemd. Na nu.
    »Fehlt Ihnen vielleicht ein Nylonstrumpf?«
    Ich ließ nicht locker. Ohne Erfolg. Beate war nicht zu einem Plausch unter Nachbarn aufgelegt.
    »Komm, Nietzsche«, sagte sie. Und Nietzsche kam. Einträchtig verschwanden Mensch und Hund im Foyer.
    Ich machte das Fenster zu, setzte mich und starrte an die Decke. Da war nichts. Die Müdigkeit griff wieder an, auf breiter Front. Ich sah auf die Uhr. Nein, keine Zeit für ein Nickerchen. Es ging auf High Noon zu. Gary-Cooper-Zeit. Ich war Gary Cooper, klar. Allein gegen alle. Nein, nicht allein? Wo war Grace Kelly? Und vor allem, wer war sie? Cleo , Sylvia, Beate?
    Die Müdigkeit siegte.

25
    Ich stand unter ganz besonderem Druck. Abhilfe war nötig. Also machte ich mich auf die Suche. Der Gang, in den ich einbog, war etwa 400 Meter lang. Links und rechts graue Türen. Nirgendwo eine hilfreiche Aufschrift. Der Druck nahm zu.
    Ich öffnete die erstbeste Tür, trat ein. Falsch. Statt in einer Toilette befand ich mich in einer Videothek. Raus, dachte ich und griff nach der Klinke. Meine Bewegung ging ins Leere. Die Klinke war weg, samt Tür.
    »Gut, dass Sie endlich kommen. Ich dachte schon, Sie würden niemals herfinden.«
    Vor mir stand ein kleiner Junge. Etwa 1,20 Meter groß, schmal, linkisch. Er sprach mit der Stimme eines Greises.
    »Folgen Sie mir bitte«, sagte er. Ohne eine Antwort abzuwarten, machte er auf dem Absatz kehrt und lief an den Regalen entlang.
    »Das muss ein Missverständnis sein«, rief ich, aber er schien mich nicht zu hören.
    Ich ging ihm nach. Ein paar schnelle Schritte genügten und ich hatte ihn eingeholt. Ich legte ihm die Hand auf die Schulter, er schüttelte sie einfach ab.
    »Ist schon in Ordnung«, sagte er, ohne sich umzusehen. »Sie brauchen keine Angst zu haben.«
    »Ich habe keine Angst.«
    »Die brauchen Sie auch nicht haben. Es tut nicht weh.«
    »Es tut nicht weh. Was tut nicht weh?«
    »Ich sagte Ihnen doch. Sie müssen keine Angst haben.
    »Angenommen, ich hätte doch Angst …«
    »Ja?«
    Ich zog es vor zu schweigen. Wir gingen weiter. Die Regale bildeten einen endlosen Korridor. Ich sah genauer hin. Film stand neben Film.
    »Ihr habt hier sehr viele Filme«, sagte ich, um überhaupt etwas zu sagen.
    »Wir haben alle«, antwortete der Junge.
    »Alle?«
    »Ja, wundert Sie das?«
    »Habt ihr ›Kramer gegen Kramer‹?«
    »Was?«
    »›From dusk till dawn‹?«
    »Nein. Diese Art Filme haben wir nicht.«
    Ich sah genauer hin. Die Hüllenrücken waren jeweils mit einem Namen und einem Datum versehen. Ich blieb stehen und griff nach einer der Hüllen. Jonathan Weiß, 7.7.1817.
    »1817. Das muss ein Schreibfehler sein?«
    »Hier gibt es keine Schreibfehler! Hinstellen!«
    Der Junge war mit einem Sprung bei mir, riss mir die Hülle aus der Hand und schob sie wieder an ihren Platz zurück.
    »Seien Sie vorsichtig. Sonst kommt alles durcheinander. Sie wollen doch auch den Film, der für Sie bestimmt ist. Und nicht irgendeinen Film.«
    »Ja. Ich glaube schon.«
    »Dann machen Sie das nie wieder!«
    Es klang nicht wie eine Drohung, eher wie ein Ratschlag. Trotzdem merkte ich, wie mir ein leiser Schauer über den Rücken lief.
    »Diese Filme?«
    »Ja?«
    »Was ist darauf zu sehen?«
    »Alles.«
    »Alles?«
    »Ja, alles. Von der ersten bis zur letzten Minute.«
    »Du meinst …«
    »Ja.«
    »Wohin gehen wir?«
    »Wir holen Ihren Film. Deshalb sind Sie doch hier. Oder?«
    »Ja. Ja. Natürlich.«
    Meine Antwort schien ihn zufriedenzustellen . Ich blieb stehen, er trabte weiter. Ich wartete, bis er verschwunden war, bog dann in die nächste Regalreihe ein und tatsächlich, vor mir lag die Tür. Schnell trat ich hinaus. Ich lehnte mich gegen die Wand, dann sah ich mich um. Die Türen hatten ihre Farbe verändert. Aus dem Grau war ein helles Grün geworden.
    Wie war das möglich? War dies ein anderer Flur? Was war das für ein Gebäude? Gab es hier überhaupt das, was ich suchte?
    Ich ging den Gang entlang und widerstand der Versuchung,

Weitere Kostenlose Bücher