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Hundeleben

Titel: Hundeleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Zander
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erneut einen der Eingänge zu öffnen. Ich zählte 97 Türen. Die 98ste war nur angelehnt. Ich konnte nicht anders, ich trat heran, legte die Fingerspitzen auf das Holz und drückte leicht dagegen. Die Tür schwang auf. Der Raum dahinter lag in völliger Dunkelheit.
    »Ist hier jemand? Hallo?«
    Ich trat einen Schritt nach vorn. Fehler. Etwa zehn Hände stießen aus der Dunkelheit hervor, packten mich und zogen mich tiefer und tiefer in den Raum hinein. Hinter mir schlug die Tür krachend zu.
    Ein Falle, dachte ich, das ist eine Falle. Dieses ganze Gebäude ist eine riesige Falle.
    »Siegfried«, rief eine Stimme.
    »Was wollen Sie?« Ich spürte, wie etwas über mein Gesicht strich. Ein eisiger Hauch? Ein raues Tuch? Was lauerte noch in der Dunkelheit?
    »Weg, weg! Ihr sollt weggehen. Ich habe euch nichts getan. Weg!«
    »Siegfried, mach endlich deine Augen auf! Siegfried!«
    Die Stimme kannte ich.
    »Was machst du hier? Was willst du von mir?«
    »Ich will, dass du deine Augen aufmachst! Nichts weiter.«
    Ein Schmerz durchzuckte meinen rechten Arm. Ich schlug die Augen auf. Cleo stand neben mir. In der Hand hielt sie meinen Brieföffner.
    »Willst du mich umbringen?«
    »Entschuldige«, sagte sie. »Leider habe ich nicht allzu viel Zeit.«
    » Cleo !«
    »Ja. Ich bins . Wir waren verabredet. Schon vergessen?«
    Vor mir saß Hannibal und starrte mir tief und erwartungsfroh in die Augen. Wahrscheinlich hatte er Hunger. Ich ignorierte ihn.
    »Ich muss eingeschlafen sein.«
    »Was du nicht sagst.«
    »Ich habe seltsame Sachen geträumt.«
    »Ist ja nichts Neues.«
    »Ein Tuch oder ein Scheuerlappen …« Ich sah mir Hannibal genauer an. Die Zunge hing ihm aus dem Maul. »Hat Hanni versucht, mich zu wecken?«
    »Oh ja.«
    Na bitte, es gab für alles eine Erklärung. Selbst für Albträume.
    »Du siehst gut aus, Cleo .«
    Sie sah wirklich gut aus. Die Zeit ohne mich schien ihr ausgezeichnet zu bekommen. Anders herum konnte ich das nicht behaupten. Cleo fehlte mir. Immer noch.
    » Cleo . Ich … Ich meine … Du meinst nicht, dass ich … dass wir …«
    »Nein.«
    »Wir könnten noch mal ganz von vorn anfangen. Erinnerst du dich …«
    »Von vorn? Hanni, fass! Fass!«
    Hanni saß ratlos vor mir. Er schaute erst mich an, dann Cleo , dann wieder mich. Sein riesiges Maul ging auf und zu. Etwas Geifer trat heraus. Mit wem würde er es sich verderben, mit mir oder mit Cleo ? Interessante Frage, interessantes Echtzeitexperiment. Wir warteten.
    Ich hatte Glück. Hannis angezüchtete Friedfertigkeit siegte über sein natürliches Aggressionspotenzial. Er legte sich auf den Boden, schloss die Augen und tat, als ob er schliefe. Kluges Tier. Konflikte zu ignorieren ist wahrscheinlich die intelligenteste Variante, ihnen aus dem Weg zu gehen. Vielleicht ist es auf diese Weise sogar möglich, Konflikte kleineren Ausmaßes aus der Welt zu schaffen.
    Ich war noch nicht auf Hannibals Level angekommen. Ich war jemand, der sich an Konflikten noch aufrieb.
    »Du wolltest, dass Hannibal mich beißt.«   Mir versagte fast die Stimme vor Empörung. »Er hätte um ein Haar zugeschnappt«.
    Sie sah mich lächelnd an.
    »Hast du Angst vor Hunden?«
    »Nein.«
    »Du weißt doch. Sie beißen nicht. Jedenfalls nicht ohne Grund. Hanni schon gar nicht. Hunde sind die natürlichen Freunde des Menschen.«
    »Kann ja sein, dass sie das hin und wieder vergessen.«
    »Ja, kann sein.«
    »Na bitte.«
    Sie stand jetzt vor dem Regal mit den Akten.
    »Was ist denn hier los?«, sagte sie und zog etwas aus dem Aktengewirr hervor. Hatte sie ihre eigene Akte, die Akte Cleo , entdeckt? Mist. Natürlich sammelte ich Munition gegen sie. Man kann ja nie wissen. Ich hatte schon einige nette Sprengköpfe zusammen. Ich plante nicht, die Munition auch abzufeuern, ganz sicher nicht, jedenfalls nicht als Erster.
    »Ich kann das erklären. Ich meine …«
    »Du stehst auf Kubrick und Hitchcock? Seit wann?«
    »Schon immer.«
    »Und wieso weiß ich nichts davon?«
    »Weil … Siehst du. Du kennst mich gar nicht richtig. Du weißt gar nicht, wer ich wirklich bin. Du solltest …«
    »Was?«
    Sie nahm jetzt beide Hüllen in die Hand. Nur nicht nervös werden, sagte ich mir. Cleo , das wusste ich, besaß ein ausgezeichnetes Gespür für aufkommende Nervosität. Zumindest war das während unserer gemeinsamen Zeit so gewesen. Vielleicht war ihr das Gespür inzwischen abhanden gekommen.
    »Würdest du die Filme bitte wieder hinstellen?«
    »Nervös?«
    »Wieso?«
    »Kubrick oder

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