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Hundeleben

Titel: Hundeleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Zander
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fürs Bleiben. Manchmal muss man die Offensive suchen, auch wenn sie in Wahrheit nur ein geordneter Rückzug ist.
    Ich hatte eine Stunde. Was ich brauchte, war Ablenkung. Buch, Radio oder beides, das war die Frage. Mir fielen die DVDs ein. Auch nicht schlecht. Hitch oder Kubrick, Höhenangst oder Space-Odyssee ?
    Meine Wahl fiel auf Kubrick. Ich hatte vor Jahren eine schlechte Kopie des Films in einem Potsdamer Programmkino gesehen. Miserable Kopien und Programmkinos gehören zusammen wie Pasta und Tomaten, wie Kartoffeln und Preußen. So ist das!
    Ich öffnete den DVD-Einschub meines Computers und stellte den Monitor an. Dann kramte ich Kubricks Longplayer hinter den Aktenordnern hervor. Zuviel für eine Stunde, sicher. Aber ich war vor allem auf die ersten 20 Minuten aus. Genau! Auf unsere äffischen Vorfahren, auf ihren Tanz um den Monolithen, auf ihr Gehüpfe und Gegrunze, ihre innerbetrieblichen Auseinandersetzungen, auf den ersten Mord der Prähistorie und natürlich auf den wahnsinnigsten Schnitt und die verrückteste Musik der Filmgeschichte.
    Ich klappte die Hülle auf und schaute hinein. Na so was! Keine DVD! Ich schaute noch einmal hin. Gleiches Ergebnis. Keine DVD. Keine Bombe, keine schwarze Mamba , kein Abschiedsbrief, kein Charlie-Chaplin-Film. Nichts dergleichen. Nein, ich war nicht enttäuscht. Ganz gewiss nicht. Vor mir lag ein Bündel Papier. Grundfarbe violett. Auf der Banderole prangte die Zahl 10.000.
    Ich holte tief Luft, schloss die Augen, ließ die Luft eine Weile wirken und stieß sie endlich, zusammen mit einem kräftigen Seufzer, der fast wie ein Schrei klang, wieder aus. 10.000! Danke, Herr Müller! Ich riss die Augen wieder auf. Das Geld war noch da.
    Ich sprang auf, stieß die Aktenordner beiseite und langte nach Hitchs › Vertigo ‹. Ich legte die Hülle auf den Schreibtisch, sah sie scharf an, sprach ein paar beschwörende Worte und lüftete langsam das Geheimnis. Treffer! Noch einmal 10.000 Euro. Ich dachte an die etwa 200 DVDs in Marks Wohnung und verfluchte meine Bescheidenheit. 200 mal 10.000. Das machte … Genau! Die zwei Millionen befanden sich eindeutig an der falschen Stelle.
    »Du Idiot, du verdammter Idiot.«
    Was war los mit mir? War ich das, der da sinnlos vor sich hinplapperte? Da lagen 20.000 in großen Scheinen und ich meckerte. Kein gutes Zeichen. Ich merkte, wie ich die Beherrschung verlor. Mein Büro dehnte sich aus, zog sich zusammen, pulsierte. Violette Scheine, überall. Sie schwebten von der Decke, krochen aus den Schubladen, aus den Regalen, kamen aus den Dielenritzen. Mehr. Immer mehr. Schon war der Boden bedeckt. Ich bückte mich, ließ mich fallen, wälzte mich in den anwachsenden Papierbergen, schrie, tobte, lachte.
    Ich stieß mit dem Kopf gegen den Schreibtisch und kam wieder zu mir.
    Ich dachte an Hobbes, den Leviathan und den ganzen Rest und wurde ruhiger. Erstaunlich. Ich hatte soeben die Gier kennen gelernt. Ich war auf sie reingefallen, einfach so. Trotz Bildung, abendländischer Erziehung und Sonstigem. Wie es aussah, musste ich mein Bild von mir überarbeiten. Bislang hatte ich mich für nett, sozial, freundlich und bedürfnislos gehalten. Jetzt musste ich erkennen, dass es da noch andere Seiten gab. Wer wusste noch von ihnen? Cleo ? Einmal im Streit hatte sie gemeint, ich wäre zu allem fähig. Hatte sie recht? Und was war dieses ›zu allem‹?
    Ich starrte die 20.000 an. Diesmal blieb ich gelassen. Geld ist nichts weiter als bedrucktes Papier. Sagte ich mir. Hatte nicht Gandhi das Gleiche gesagt? In seiner Spätphase?
    Ich nahm das bedruckte Papier und legte es in die Hüllen. Die Hüllen stellte ich in das Regal zurück. Das Büro sah wieder aus wie mein Büro. Der Regen sah wieder aus wie normaler Regen. Ich hoffte, dass ich wieder aussah wie jener Siegfried Gass , den ich am Morgen im Spiegel gesehen hatte. Vielleicht um einiges besser.
    Ich warf einen Blick hinunter in den Kinohof. Unter dem Vordach stand Beate und schaute zu, wie Nietzsche ein paar seiner unaufschiebbaren Geschäfte verrichtete. In dieser Welt geht es meist um Geschäfte. Um große, um kleine, um dunkle und um weniger dunkle. Die Hunde, so schien es, waren voll integriert. Wahrscheinlich befanden sie sich deshalb überall auf dem Vormarsch.
    Ich öffnete das Fenster.
    »Entschuldigung. Kann ich Ihnen eine Frage stellen?«, schrie ich nach unten.
    Beate drehte nicht einmal den Kopf.
    »Nein!«, rief sie zurück und lächelte zu Nietzsche hinüber. Dessen Geschäft schien

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