Hundsleben
Siebziger-Jahre-Serie verbrochen
hatte. Nach der kein noch so toleranter Hahn mehr krähte. Die nun als Gönnerin
des »Gut Sternthaler« in schöner Regelmäßigkeit in der Zeitung zu sehen war. Ja
genau, das war jene Frau, die Jo in der Zeitung gesehen hatte: altersunpassende
hüftige Jeans über Krähenbeinen, opulente Oberweite in der geknoteten
Leinenbluse, blond gefärbt, Lippen aufgespritzt, Falten unter
Dauerbotoxbeschuss.
»Und sonst, ich meine, im Durchschnitt, was haben die
Bilder so eingebracht?« Reiber sprach leise und geduldig.
»Nun ja, vierhundert Euro, mal dreihundert, mal
fünfhundert, sehen Sie, unter Tierfreunden …«
»Will meinen, die Bilder wurden weniger wegen ihres
künstlerischen Werts als wegen des karitativen Gedankens gekauft?«, fragte Reiber
und gab sich ganz wertneutral.
Jemand musste wieder an der Schraube gedreht haben,
denn nun schoss die Dame regelrecht nach vorne.
»Das können Sie so nicht sagen, die Bilder waren
natürlich großartig, eine Zierde für jeden Salon.«
Jo war froh, dass sie nur eine Bauernstube und keinen
Salon hatte, sonst hätte sie womöglich über den Erwerb einer solchen
Schauerlichkeit nachdenken müssen.
»Gnädige Frau, worauf ich hinauswill: Warum hat jemand
die Bilder gestohlen, und steht der Diebstahl in Verbindung mit dem Mord?«
Reiber sah sie besorgt an.
Sie brauchte ein paar Sekunden, dann brach es aus ihr
hervor: »Sie meinen, sie wurde ermordet, damit man ihre Bilder entwenden
konnte?«
»Genau das ist die Frage!«, meinte Reiber. »Und dazu
ist es nicht uninteressant, den materiellen Wert der Werke zu kennen. Der, wie
Sie mir nun sagen, nicht exorbitant war.«
»Kunst ist ein launisches Kind, sie hätten im Wert
steigen können, Kunst ist Spekulation.«
»Nun, tote Künstler verkaufen sich oft besser«, sagte
Reiber und runzelte die Stirn. »Jemand ermordet sie, damit die Bilder im Wert
steigen. Wäre das eine Option?«
»Aber das wäre ja erschütternd und …«
»… eher unwahrscheinlich«, ergänzte Reiber. »Sagen
Sie, warum eigentlich diese drei Bilder, waren die irgendwie besonders?«
»Jedes ihrer Werke war besonders, anrührend in seiner
Art, fragil in …«
Reiber stoppte ihren Promotionszug für Lepipfa!s
Bilder. »Glaube ich, aber wieso diese?«
»Nun, sie waren eben eine Trilogie, ein Triptychon,
wenn Sie so wollen. Und wahrscheinlich am leichtesten zu greifen.« Im letzten
Satz lag Bedauern.
Reiber sah zur Wand, damit hatte die Dame natürlich
recht. Sie hingen am nächsten zur Tür. Blieb die Frage, ob die Bilder vor dem
Mord oder nachher entwendet worden waren. Was, wenn die Künstlerin den Diebstahl
bemerkt hatte, der Dieb sie niedergeschlagen und dann in die Toilette
geschleift hatte? War möglich – und die Leute in den weißen Schutzanzügen waren
dort bereits am Werk. Die Spusi würde auch den Raum mit den gestohlenen Bildern
genau unter die Lupe nehmen müssen. Wer mordete wegen ein paar schrulliger
Farbergüsse einer alternden Tierschutzqueen?
Reiber bedankte sich bei der Dame, bat sie dann,
zurück zu den Kollegen zu gehen, die dabei waren, weiter Befragungen
durchzuführen und Alibis zu checken. Irgendwie dämmerte es der Laudatorin wohl,
dass Reibers Bitte auch beinhaltete, dass sogar sie verdächtig war.
»Was? Ich soll ein Alibi vorweisen, ich, die ich die
ganze Zeit durch die Bilder geführt habe!« Ihre Stimme schrillte durch den
Raum.
»Gnädige Frau, wir wissen noch nicht, wann genau die
werte Frau Pfaffenbichler ums Leben kam. Sie haben vor der Vernissage doch
sicher mit ihr den Ablauf besprochen? Sie haben doch auch das Stichwort
festgelegt, auf das hin sie den Raum hätte betreten sollen, oder, gnädige
Frau?«
»Ja, sicher. Leanora hat in der Garderobe gleich am
Eingang gewartet. Und Sie, Sie verdächtigen mich? Das ist ja unerhört!«
»Liebe gnädige Frau, jeder und jede ist momentan
verdächtig, so leid mir das tut. Darf ich Sie dann bitten!« Er machte eine
Handbewegung zur Tür hin. Sie stöckelte von dannen und stieß noch einen Fluch
aus, den Jo nicht mehr ganz verstand.
Reiber wandte sich an Jo. »Also bis heute Abend. Ich
freu mich.«
Jo nickte. »Ich mich auch.«
»Gut.« Reiber lächelte. »Sag mal, hast du die Nummer
vom guten alten Weinzirl?«
»Klar.« Jo fummelte ihr Handy heraus.
Als Reiber die Nummer in seins eingespeichert hatte,
lächelte er ihr erneut zu. »Dann bis halb neun, Frau Landei.«
Jo sah ihm hinterher. Hatte er damals im Allgäu auch
so gut
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