Hundstage

den Ohltrop-Mord referiert hatte, war diese Art Themen erst mal ausgeschöpft. Dann kam das «Fron-Hus» an die Reihe, dessen Brand noch gar nichts war, wenn man an die unverantwortlichen Amerikaner denkt, die im Krieg die Städte bombardiert haben, ein Feuermeer nach dem andern, und an die beknackten Bürokraten, wie die die bundesdeutschen Städte nach dem Krieg zugerichtet haben! Das Haus, in dem Heinrich Heine mal abgestiegen ist, abzureißen! «Baufällig?», was soll das denn heißen? Die Frage der Rekonstruktion, wie sie das in der DDR so phantastisch machen, die Semper-Oper in Dresden, die Zille-Kneipe in Berlin. Wo gäb’s denn bei uns in der BRD so was, daß sie ’ne ganze Häuserreihe wiederaufbauten? Hier kennten sie ja nur die Abrißbirne. Und: Wie schwierig ist es, sich das Rauchen abzugewöhnen, ohne gleichzeitig an Gewicht zuzunehmen. Am besten gleich mal ein paar Kniebeugen machen.

    Bevor mit der Arbeit begonnen wurde, ging Hoenisch mit Frau Läuffer durch alle Zimmer. Er bewegte sich, als ob er hier zu Hause sei – «locker vom Hocker» sei besser als «hektisch übern Ecktisch» –, und er machte seine Begleiterin auf die Truhe aufmerksam, auf das Bild vom Schafbock und auf die «Quadropeden», die Hunde also, die ihm kreuz und quer vor die Füße liefen. Ob die Hunde ganz viel gelogen hätten, wollte er wissen, weil die doch so kurze Beine haben … Dann rief er: «Was sehen meine entzündeten Augen!» und nahm Sowtschicks frischgekaufte Schlachtschiffe in die Hand, wovon er eins fallen ließ.

    «Sind Sie denn für die Hochrüstung?» fragte die junge Frau, die Unmut in sich aufspeicherte über die üppigen Verhältnisse, in denen der Herr Sowtschick hier lebte.

    Nein, natürlich nicht, antwortete Sowtschick. Ein Environment sei geplant, aquariumartig, aber ohne Wasser, den Durchbruch der deutschen Flotte durch den Kanal betreffend, 1942, das muß man sich mal vorstellen, drei riesige Schiffe unter einem Schirm von zweihundert Jagdflugzeugen, unter den Augen der Briten durch den Channel preschend … Daß dieses Ereignis mit Krieg nichts zu tun habe, einfach eine Art Happening sei, ein ungeheuerlicher Vorgang, ein Sport, «verstehen Sie?».

    Und Hoenisch erklärte ihr, daß Sowtschick drei makabre Jahre Sibirien hinter sich habe und schon von daher zum Friedenslager hin tendierte. «Was meinst du wohl, Anita, was der Schafbock soll? In goldenem Rahmen! Schaf oder Friedenstaube, das hängt doch alles irgendwie zusammen…» Und dann sagte er, daß Sowtschick ein berühmter Mann sei, Verfasser von «Kaum einen Finger breit», einem Buch, das von antifaschistischem Widerstand handle, also sehr aktuell, von Hannes Leiter übrigens verfilmt, Goldene Kamera, Prix Italia, Bambi und so weiter.

    «Guck ihn dir gut an, Anita …», sagte er zu der aufmukkenden Frau, so, als sei Sowtschick nur noch heute zu besichtigen. – «Du vergammelst hier so richtig schön», sagte er auch und pickte ein paar Fliegenleichen mit den Fingern auf. «Aber das gefällt mir. Alle fünfe grad sein lassen …»

    Nachdem alles besichtigt war, wobei die verschiedenartigen Hänge-Glöckchen geläutet wurden, gingen die drei in den Innenhof, wo Hoenisch auf die beiden Schwestern traf. «Hallöchen!» rief er, «wen haben wir denn hier?»

    Sowtschick sagte, das seien seine beiden Vizetöchter, mutwillige Sommervögel, und zu den Mädchen sagte er, daß dies der bekannte Fernsehregisseur Hoenisch sei, «guckt ihn euch gut an!», die dreiteilige Gulbransson-Verfilmung vom letzten Jahr mit der längsten Überblendung der deutschen Fernsehgeschichte. «Die habt ihr doch gesehen, oder?»

    Ja, sagten die Mädchen, und sie kriegten sonderbarerweise einen roten Kopf, sie könnten sich irgendwie erinnern, käm darin nicht eine Wiese vor mit einem Rüsselkäfer, der da stundenlang in einer Blüte herumkriecht?

    «Ja, natürlich», rief Hoenisch, «das habt ihr euch gemerkt … ?» Der Streifen habe unglaubliche Meckerorgien ausgelöst in der Presse. Wenn ein einziger der Rezensenten sich mal klargemacht hätte, was in so einem Film für Arbeit steckt! Er sähe den Kameramann noch auf dem Bauch liegen, Stunde um Stunde, um den Rüsselkäfer aufs Zelluloid zu bannen, und zwei Mann hinter ihm, dauernd die Fliegen wegscheuchen! Auf dem Rüsselkäfer habe der Autor bestanden, der habe irgendeine makabre Bedeutung gehabt.

    Während sie so redeten, sah Hoenisch sich die gewaltigen Kakteen an, die neben dem Brunnen standen, kugelig