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Hunkelers erster Fall - Silberkiesel

Hunkelers erster Fall - Silberkiesel

Titel: Hunkelers erster Fall - Silberkiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Schneider
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Tisch, dass sie schmerzte. Er legte sich aufs Feldbett und rollte sich ein wie ein Kind.
    Nach einer Weile wurde er ruhig, und jetzt dachte er nach. Schau an, sagte er laut ins leere Zimmer hinein, dieser Dr. Zeugin hat eine ganze Reihe sehr interessanter Angestellter.
    Am andern Morgen Punkt sieben – es war ein gewöhnlicher Samstagmorgen, wenig Verkehr auf den Straßen, der Pegelstand des Rheins war immer noch hoch, die Luft roch nach Frühling – ging Erika Waldis die Colmarerstraße hinauf zum Café Ankara. Sie hatte ihre Tasche bei sich und den Plastiksack mit dem Gemüse. Sie fühlte sich gut, sie hatte gut geschlafen, Leib an Leib mit Nelly im breiten Bett. Sie hatten zusammen gefrühstückt, ohne viele Worte, sie hatten gemerkt, dass sie einander immer noch mochten, dass sie angewiesen waren aufeinander.
    Sie betrat das Café, leise, sie wollte nicht stören. Sie sah Erdogan an einem Tisch sitzen vor einem Glas Tee. Nebendran stand Muhammed Ali und redete auf ihn ein. Als er die Tür gehen hörte, schwieg er abrupt, wie ertappt. Erika ging zu Erdogan hin und wollte ihn küssen. Er wehrte ab.
    »Gut, dass du da bist«, sagte er, »wir haben uns schon Sorgen gemacht.«
    »Wer ist das, ›wir‹?«, fragte sie.
    Er schaute zu Muhammed Ali hoch, unsicher, er war sehr bleich. »Der fremde Mann ist immer noch hinter uns her«, sagte er, »hinter dir, hinter mir. Ich fahre jetzt mit einem Taxi zur Garderobe an der Hochbergerstraße. Dann muss ich noch einige andere Dinge erledigen. In einer Stunde bin ich wieder hier und hole dich ab. Dann fahren wir zum Bahnhof, gemeinsam, und nehmen den Zug nach Kloten. Alles in Ordnung?«
    »Nein«, sagte sie, und sie hatte Mühe, nicht die Wahrheit zu gestehen, »ich bleibe nicht hier in diesem Café. Es gefällt mir hier nicht. Ich fahre in die Wohnung. In einer Stunde bin ich am Bahnhof, vielleicht, wer weiß? Hast du gut geschlafen?«
    »Du redest seltsam.« Er schaute sie hilflos an, die nackte Angst in den Augen. »Das ist zu gefährlich, in die Wohnung zu gehen. Du bleibst da.«
    »Nein. Ich fahre dorthin, wo ich wohne, wo ich zu Hause bin. Und du bist auch dort zu Hause.«
    Er erhob sich. »Also gut. In einer Stunde auf dem Bahnhof.«
    Er verabschiedete sich von Muhammed Ali, nahm den Koffer und ging mit ihr hinaus. Seine Augen suchten die Umgebung ab. »Alles in Ordnung«, flüsterte er und zwinkerte.
    »Ich komme mit, bis du im Taxi sitzt«, sagte sie, »da unten beim Taxistand ist meine Haltestelle.«
    Erdogan zögerte. Offenbar wollte er sie nicht unnötig in Gefahr bringen, dieser Kindskopf, dieser sture Esel. Oder wollte er sie einfach weghaben?
    »Also los, komm, ab die Post«, sagte er.
    Sie gingen mit schnellen Schritten die Colmarerstraße hinunter. Er rannte fast, sie keuchte.
    »Geh schon voraus«, sagte sie, »ich kann nicht so schnell rennen. Es wird dich wohl niemand stehlen.«
    Er nickte kurz, ging, ohne anzuhalten, weiter, überquerte nach wenigen Metern die Straße und rannte direkt vor einen roten Kleinwagen mit Antenne, der in horrendem Tempo herangefahren kam und mit quietschenden Reifen bremste. Die Stoßstange erwischte ihn leicht am rechten Bein, er ging zu Boden, erhob sich aber schnell wieder und versuchte zu fliehen.
    Es war zu spät. Aus dem roten Auto war ein bulliger Glatzkopf gestiegen und packte ihn am Arm. Ein zweiter Mann in hellem Kamelhaarmantel trat mit schnellen, fast eleganten Schritten hinzu und schlug ihm die Faust in den Magen. Erdogan klappte vornüber. Sie schleppten ihn ins Auto, zogen die Türen zu und fuhren davon.
    »Mörder, Diebe, Verbrecher!«, hatte Erika geschrien. Sie war gerannt, so schnell sie konnte, um ihrem Mann zu helfen, ihm beizustehen. Sie kam zu spät.
    Ein Rentner auf einem Fahrrad hatte angehalten. Sein Kinn zitterte vor Aufregung, Speichel tropfte von seinen Lippen. Er half ihr, die Karotten einzusammeln, die aus dem Plastiksack gefallen waren.
    »Das war eine Entführung«, sagte er, »wie in Chicago. Ich habe alles ganz genau gesehen. Man muss die Polizei anrufen.«
    Erika hob den Sack, die Tasche und den Koffer auf, der im Straßengraben lag. Eines der beiden Schlösser war aufgesprungen, aber der Lederriemen hielt alles zusammen.
    Sie ging, so schnell sie konnte, zum Café Ankara zurück. Die Gemüsefrau war dabei, ihren Handkarren aufzustellen. »Wo brennt’s?«, fragte sie, als sie Erika vorbeihasten sah.
    Sie öffnete die Tür, stellte den Koffer ab und ging, ohne zu zögern, zum Telefon. Dort

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