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Hunkelers zweiter Fall - Flattermann

Hunkelers zweiter Fall - Flattermann

Titel: Hunkelers zweiter Fall - Flattermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Schneider
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war die Botschaft des Freddy Lerch gewesen. Eine gute Botschaft, wie Hunkeler fand.
    Er grinste, böse auf den Taxometer schielend. Der Taxifahrer kam aus der Türkei. Das hatte er sogleich bemerkt, als er vor seiner Wohnung in den Wagen gestiegen war. Ein Luxusschlitten war das, jawohl, er hatte es nicht nötig, sich so einen Wagen mit geborgtem Geld zu kaufen, um ihn in den Orient zu fahren und dort für das Doppelte zu verhökern. Hunkeler bezog Lohn, nicht zu knapp, geschehe, was wolle, diese Kohlen wurden bezahlt, bei Erdbeben, Krieg und Pestilenz. Er würde immer, bis an sein Lebensende, genügend Geld haben, um einen solchen Schlitten samt Chauffeur zu mieten. Und zwar ganz legal.
    Das Taxi glitt den Kohlenberg hinunter. Links der Lohnhof, ein mittelalterlicher Bau mit meterdicken, kühlen Mauern, hoch aufragend aus dem Weichbild der Stadt, ein Untersuchungsgefängnis, in dem geschwitzt, geschrien und manchmal in der Verzweiflung auch Hand ans eigene Leben gelegt wurde. Hunkeler schaute hinauf. Das Gemäuer leuchtete rötlich, es schimmerte sanft. Oben sah er die vergitterten Fenster. Dort versuchte jetzt wohl ein junger, kräftiger Mann mit Ring im Ohr Ruhe zu finden, den stillen, traumlosen Schlaf.
    Der Barfüßerplatz war wie immer an warmen Abenden voll jungen Volkes. Der Fahrer hielt an, schüttelte den Kopf, stieß einen Fluch aus, den Hunkeler nicht verstand.
    »Heiß, nicht wahr?«, sagte er friedlich, »aber Sie sind diese Hitze sicher gewohnt.«
    »Warum?«, fragte der Mann.
    »Sie kommen doch aus der Türkei, aus Anatolien, nehme ich an. Dort muss es um diese Jahreszeit noch heißer sein als hier. Und fast nirgends Wasser.«
    »Ich bin hier aufgewachsen, genau wie Sie«, sagte der Mann in breitem Kleinbasler Dialekt.
    »Ach so. Ich habe gemeint, Sie sind Türke.«
    »Mensch«, sagte der Mann ziemlich giftig, »wo leben wir eigentlich? Sind Sie Rassist?«
    »Entschuldigung.« Hunkeler gab ihm das Geld. »Ich wollte Sie nicht beleidigen.«
    »Jetzt hören Sie einmal mit diesem Blödsinn auf, ja?«
    Der Mann schien ernstlich böse zu sein. Er riss die Tür zu, gab Gas und zog den Wagen hinein in die Steinenvorstadt.
    Hunkeler schämte sich. Was war jetzt das wieder gewesen, warum war ihm das passiert? Kaum willst du freundlich sein mit einem Türken der ersten, zweiten oder weiß der Teufel wievielten Generation, kriegte er es in den falschen Hals. Ihm war es doch egal, woher der Mann kam, aus Kleinbasel, aus Barzwil oder Ankara. Ihm war alles scheißegal.
    Was suchte er eigentlich hier, auf diesem heißen, überfüllten Platz? Das sah aus wie auf der Rambla in Barcelona oder an irgendeinem gottverdammten Pazifikstrand. Braune Beine und Arme, pralle Ärsche in satten Jeans, kurzes Haar, langes Haar, rot, violett und grün, Glatzköpfe männlich und weiblich, die Hippers und Hoppers und Kloppers des vereinigten Groß- und Kleinbasels. Und Lockerheit über alles, einige fielen fast aus der Wäsche, so locker waren sie. Er drängte sich durch die Leute, ein Fossil aus der Vorkriegszeit, von der dieses Jungvolk natürlich keine Ahnung mehr hatte.
    Weiter oben am Steinenberg fiel ihm das Heft ein, das er in der Wohnung des Freddy Lerch gefunden hatte. Es lag zu Hause im Eisschrank, neben Käse, Aufschnitt und Bier. Kindisch, in der Tat, unglaublich naiv. Denn wo schaute ein Detektiv zuerst nach, wenn er, mit einem Durchsuchungsbefehl in der Tasche, eine fremde Wohnung betrat, um etwas zu suchen? Zwischen der Wäsche, in Schüsseln, im Eisschrank.
    War er denn vollständig verblödet? Und wenn, warum? War es die Hitze? Oder war es das Flattern von der Brücke?
    Was hieß hier übrigens gefunden? War er befugt gewesen, die Wohnung zu betreten? Aber nein, keineswegs. Das war schlicht und einfach Hausfriedensbruch gewesen. Und ein Diebstahl dazu, beobachtet von einer Zeugin. Das konnte ihn ganz schön in Schwierigkeiten bringen, wenn es auskam.
    »Wer helfen will, macht sich schuldig.« So hatte der letzte Eintrag in diesem Heft gelautet. Es war der einzige Satz, den er bisher gelesen hatte. Und was bedeutete er? Er bedeutete, dass Freddy Lerch jemandem hatte helfen wollen. Und wem hatte er helfen wollen? Selbstverständlich seinem Großneffen, dem Schlingel Silvan. Diese Hilfe hatte den Vaurien schlussendlich in den Lohnhof gebracht, und der alte Freddy war somit schuldig geworden.
    Also war dieser Satz ein Beweis, dass Silvan das Geld nicht gestohlen hatte, und hätte unbedingt dem Staatsanwalt vorliegen

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