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Hunkelers zweiter Fall - Flattermann

Hunkelers zweiter Fall - Flattermann

Titel: Hunkelers zweiter Fall - Flattermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Schneider
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gewesen, bis Mittag. Das wird ja noch mein gutes Recht sein.«
    »Entschuldige«, sagte Madörin, »die Hitze. Sie drückt mir auf den Kopf. Da kommen mir dumme Gedanken.«
    »Zieh dich doch um, kühle dich ab. Ich leihe dir meine Badehosen.«
    »Du weißt, dass ich im Dienst bin. Vorschrift ist Vorschrift.«
    Hunkeler versuchte zu gähnen, es gelang ihm ganz gut. »Ich will nichts als eine ruhige Sommerkugel schieben. Das verstehst du doch?«
    »Ja«, sagte Madörin, riss die Krawatte vom Hals, knüpfte das Hemd auf, »das möchte ich auch. Aber der Fall hat sich eben wirklich kompliziert.«
    Hunkeler blinzelte. Was war da noch, was kam da noch? »Ja, bitte?«
    »Der Mann ist tot, das weißt du.«
    »André hat gesagt, es wisse niemand etwas von einem Freddy Lerch im Spital. Da habe ich angenommen, er sei gestorben. Ich bin hingegangen und habe seine Leiche angeschaut.«
    »Das wissen wir. Und warum hast du dir diese fremde Leiche angeschaut, die dich doch überhaupt nichts angeht?«
    Hunkeler kniff die Lippen zusammen. »Das geht dich nichts an.«
    »Wenn es uns aber doch wundernehmen würde? Wie wäre denn das?«
    Hunkeler wartete. Er spürte die Hitze auf seinem Bauch, im Gesicht. Leise, lieb fragte er: »Sag einmal, schnüffelt eigentlich jemand hinter mir her?«
    »Du hast Urlaub«, sagte Madörin, »du hast die Nase voll von diesem ganzen Polizeidreck. Du erklärst, drei Wochen lang nur noch in den kühlen Rhein starren zu wollen. Und was tust du? Du gehst ins Kantonsspital und schaust dir eine Leiche an.«
    Hunkeler schwieg, er war jetzt richtig verstockt. Er spürte einen Stolz in sich aufsteigen, der ihm die Kehle zuschnürte. Wie früher, ganz wie früher.
    »Nimm es bitte nicht persönlich«, sagte Madörin, »niemand schnüffelt hinter dir her. Aber Staatsanwalt Suter hat plötzlich angefangen, von Erpressung zu reden, als er von den 50 000 Franken hörte. Deshalb haben wir uns die Leiche noch einmal angeschaut. Der Arzt hat uns informiert, dass du da gewesen bist.«
    Hunkeler spürte Tränen in seine Augen drücken. Ein kurzer Schub war das, ganz plötzlich, unaufhaltbar. Ein leeres Schlucken, dann war es vorüber.
    »Ich habe es verpasst damals, meinen toten Vater anzuschauen«, murmelte er, fast nicht hörbar, »seinen Leichnam, meine ich. Weil ich zu spät ins Krankenhaus gekommen bin. Er hat mich gedemütigt. In meiner Jugend. Mein Vater, meine ich, hat mich gedemütigt. Er hat mir keine Chance gelassen. Nicht die Spur einer Chance, das zu tun, was ich tun wollte. Ich musste tun, was er wollte. Er war der Dresseur, ich sein Hund. So war das. Ich hätte ihn tot daliegen sehen wollen. Unbedingt. Das habe ich gestern nachgeholt.«
    »Findest du nicht, es ist eine Affenhitze hier?«, fragte Madörin und wischte sich den Schweiß ab. »Und im Übrigen bitte ich dich, mit diesem sentimentalen Quatsch aufzuhören. Das glaubt dir doch keine Sau.«
    »Das ist mir gleich, ob das jemand glaubt. Es ist so gewesen. Punkt und aus.«
    »Warum gafft der so blöd?« Madörin deutete auf André drüben auf dem Rost. »Übrigens, das Foto, das im Pass lag, das hast du doch gesehen? Den jungen Kerl, meine ich.«
    »Ja, er hat ein Ringlein im linken Ohr.«
    »Weißt du, wie er heißt?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    Madörin starrte ihn an, griesgrämig lauernd. »Irgendetwas ist faul an dieser Geschichte«, meinte er dann, »und ich weiß nicht was.«
    Draußen fuhr der Kies-Ueli bachab, der Frachtraum offen und leer, der Bug drei Meter über dem Wasser aufragend. Sie schwiegen beide, zwei müde, verbrauchte Kollegen. Nach einer Weile sagte Madörin: »Urlaub am Rhein, eigentlich gar nicht schlecht. Meine Frau will mich im September ans Meer schleppen, sie will es so haben. Übrigens fehlst du mir, wenn ich ehrlich sein will. Ich bin es schlicht nicht gewohnt, einen Fall allein zu lösen. Ich bin eben doch nur ein Unterhund.« Er grinste giftig. »Er heißt Silvan Lerch und ist der Großneffe von Freddy.«
    »Von wem redest du überhaupt?«
    »Hör auf, mich zu verarschen, ja?« Diese schäbige Hilflosigkeit in Madörins Augen, die er so hasste, dieses Untertanengesicht. »Er ist vor einer Woche in Zürich-Kloten geschnappt worden.«
    »Wer?« Das kam kurz und präzise.
    Madörin grinste. »Siehst du. Ich wusste, dass es dich interessiert. Dein toter Vater in Ehren. Aber deshalb schaut man doch keine fremden Leichen an.«
    »Wenn du meinst«, Hunkeler lehnte sich wieder an die Holzwand zurück, »du kannst mich vom

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