Hunter 05 - Späte Vergeltung
Visitenkarte und melden Sie sich, wenn Sie zurückwollen. Vielleicht bin ich dann ja noch in der Gegend.« Er hielt ihr ein großes Messer hin, doch sie schüttelte den Kopf. Es würde ihr nie gelingen, es vor Scott zu verbergen, und sie wollte ihm nicht noch eine Waffe liefern.
»Vielleicht mache ich das. Auf Wiedersehen.« Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch schloss sie die Wagentür und beobachtete, wie Dave davonfuhr. Obwohl sie wusste, dass er sie nicht im Stich lassen würde, kam sie sich plötzlich völlig allein vor. Mit einem tiefen Seufzer drehte sie sich um und blickte die Sandpiste hinunter. Von hier aus war nichts zu sehen außer Bäumen und dem mit Schlaglöchern übersäten Weg. Es kam ihr nicht so vor, als würde dieser besonders häufig genutzt. Aber sie entdeckte frische Reifenspuren.
Zach!
»Bist du ihn jetzt endlich losgeworden? Ich glaube fast, der wollte was von dir.«
»Ja, er ist weg.« Den Rest ignorierte sie.
»Geh die Auffahrt hinauf, bis du zum Haus kommst. Davor bleibst du stehen und wartest, bis ich dir ein Zeichen gebe.«
»Ich möchte noch einmal mit Zach sprechen.« Chloe hasste es, dass ihre Stimme dabei zitterte.
»Das kannst du ja gleich, wenn du hier bist. Er freut sich schon sehr darauf, dich zu sehen.« Im Hintergrund war ein Stöhnen zu hören, und Scott lachte. »Ehrlich, ich weiß nicht, was er an dir überhaupt findet. Gut, du siehst ganz niedlich aus, aber das war’s auch schon. Ich bevorzuge richtige Frauen.«
Ja, gut gebaute Stripperinnen offensichtlich, aber das sagte Chloe nicht laut. Doch sie hatte den Verdacht, dass er Frauen eigentlich insgeheim hasste.
»Und jetzt beeil dich endlich mal, ich habe keine Lust mehr zu warten.«
»Wie lang ist die Auffahrt?«
»Keine Ahnung, vielleicht eine Meile oder zwei.«
Wie sollte sie das in der kurzen Zeit schaffen? Und vor allem, wie sollte Dave sie wiederfinden, wenn sie rannte? »Ich kann aber nicht gleichzeitig reden und laufen.«
»Dann spar dir den Atem. Aber lass die Leitung offen, ich will dich hören.«
Chloe antwortete nicht mehr, sondern rannte los. Obwohl sie regelmäßig joggte und sogar hin und wieder ins Fitnessstudio ging, wenn die Zeit es erlaubte, war sie innerhalb kürzester Zeit außer Atem. Sie war es nicht gewohnt, in ihrer Straßenkleidung und normalen Schuhen zu laufen, erst recht nicht über eine sandige, unebene Piste. Besonders, wenn sie gleichzeitig vor Angst um Zach beinahe den Verstand verlor.
Vermutlich waren mehr als zwei Minuten vergangen, als sie endlich schwer atmend bei dem Haus ankam. Es stand offensichtlich schon seit längerer Zeit leer und wirkte, als könnte ein leichter Wind es umpusten. Davor parkte ein ihr unbekannter Wagen, an Zachs war sie vor der letzten Biegung vorbeigekommen.
Sie blickte am Haus hinauf und sah Scott hinter einem der Fenster im oberen Stockwerk stehen. Ungeduldig winkte er ihr zu, und sie setzte sich mit einem unbehaglichen Gefühl wieder in Bewegung. Während sie in der Türöffnung stand, blickte sie sich unauffällig um, konnte Dave aber nirgends entdecken. Hoffentlich fand er sie hier! Nach einem letzten tiefen Atemzug trat sie in das Haus und ging den langen dunklen Gang entlang. Ohne zu zögern, wandte sie sich der Treppe ins Obergeschoss zu. Ihre Beine zitterten, als sie die erste Stufe erklomm.
»Komm hier rauf, und zwar schnell. Ich zähle bis fünf, wenn du dann nicht da bist, verliert dein Geliebter einen wichtigen Körperteil.«
Chloe hastete nach oben, stockte aber, als Zachs Stimme erklang. »Nein! Bring dich in Sicherheit, Chloe!«
Ihr Magen hob sich, als sie gleich darauf ein weiteres dumpfes Geräusch und Zachs Stöhnen hörte. Sie konnte es nicht ertragen, dass er ihretwegen litt, deshalb setzte sie den Weg fort, auch wenn ihr klar war, dass sie hier sterben könnte. Chloe schob ihr Kinn vor. Ohne Zach würde sie nicht gehen, egal, was auch passierte.
28
Dave fluchte stumm vor sich hin, während er versuchte, sich möglichst lautlos durch den dichten Wald zu bewegen. Wenn Chloe und ihrem Freund etwas passierte, war es seine Schuld, er hätte ihnen nie die Adresse von Christine geben dürfen. Schon während des Prozesses hatte Dave festgestellt, wie wenig Mitgefühl Scott für andere empfand, und auch keine Reue für seine Tat. Sein Hauptinteresse lag in der Erfüllung seiner Wünsche und Ziele, alles andere war ihm egal, und er war bereit, dafür über Leichen zu gehen. Die Zeit im Gefängnis hatte seine schlechten Seiten
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