Hure in Gold ROTE LATERNE Band 12 (Rote Laterne Liebesroman) (German Edition)
seine Welt zerstört hat. Sie ging ein paar Schritte zurück. Ihre Eleganz wirkte in dieser erbärmlichen Hütte grotesk. »Was ist - mit Mutter?«, wollte sie von ihm wissen.
»Buenos dias, Carmen«, sagte Ricardo. Er trat ein paar Schritte zurück, und sie folgte ihm. Sie hatte sich rasch wieder die Sonnenbrille aufgesetzt, weil sie fühlte, dass sie den Tränen nahe war.
Dann standen sie einander gegenüber. Zum ersten Male seit so langer Zeit. Fast drei Jahre waren vergangen.
»Ich habe dich gefragt, was mit Mutter ist«, erinnerte Carmen.
Mit dem Daumen wies Ricardo über seine Schulter in südliche Richtung.
»Sie ist dort drüben, Carmen. Sie hat ihren Frieden gefunden.«
»Du meinst - sie ist - tot?«, stammelte Carmen.
»Ja, sie starb vor mehr als einem Jahr, und die Leute im Dorf sagen, sie sei an gebrochenem Herzen gestorben. Mit deinem Weggang hast du ihr das Herz gebrochen.«
»Warum hat mich denn keiner benachrichtigt!«, schrie Carmen verzweifelt heraus.
»Sie wollte es nicht«, sagte Ricardo. »Sie wurde von Tag zu Tag weniger. Meine Mutter und ein paar andere Frauen des Dorfes haben sie versorgt. Sie wollte nicht mehr essen und nicht mehr trinken. Man musste ihr mit Gewalt etwas aufzwängen. Sie sagte immer wieder, dass man dich nicht zurückholen solle. Du solltest aus eigenem, freien Willen in deine Heimat zurückkehren. Du solltest selbst erkennen, Carmen, wo das Leben den Platz für dich bestimmt hat. Lass sie in Frieden ruhen. Sie hat genug gelitten.«
»Oh, Ricardo ...«, stammelte Carmen und warf sich schluchzend an seine Brust. Zögernd befühlten seine Hände ihr elegantes Kleid.
Sie schluchzte und barg ihr Gesicht an seinem ölverschmierten Hemd. Es roch nach Sonne, nach Meer und nach der harten Arbeit der Fischer von Santa Margarita. Aber es war ein Geruch, der Carmen vertraut war wie kaum ein anderer auf der Welt. Plötzlich fühlte sie, dass ihr Herz daheim war, und sie hasste das alte Leben. Sie dachte daran, es abzulegen, wie man ein Kleid ablegt.
»Hilf mir doch, Ricardo«, wimmerte sie. »Bitte, hilf mir.«
»Ich werde dir helfen, Carmen«, versicherte er ihr. »Ich habe auf dich gewartet, all die Jahre; ich habe gewusst, dass du heimkommst nach Santa Margarita. Ich weiß, dass in deinem Herzen immer Sehnsucht nach der Heimat gewesen ist. Nun bist du zurückgekehrt. Du wirst bleiben, Carmen, und unser alter Traum wird sich erfüllen.«
»Wo soll ich leben?«, stammelte sie. »Ich kann in diesem Haus nicht bleiben. Selbst wenn man es renovieren würde, könnte ich hier nicht leben. Die Erinnerung brächte mich um, Ricardo.«
»Das verstehe ich«, sagte er beruhigend. »Nein, Carmen, du brauchst nicht in diesem Haus zu leben. Wenn du willst, kannst du bei uns wohnen. Wir haben ein Zimmer frei. Es ist vielleicht nicht gerade deiner gewohnten Umgebung angepasst, aber ...«
»Lass gut sein«, sagte Carmen. »Ich bin unendlich froh, wieder daheim zu sein.«
Señora Maria, Ricardos Mutter, nahm Carmen mit großer Freundlichkeit in ihr Haus auf. Carmen genoss die Gerichte der Heimat, denn Señora Romero war eine hervorragende Köchin. Carmen hatte das elegante Kleid mit einem einfachen, schlichten vertauscht. Sie beschloss, einfach und schlicht zu leben. Was sie hatte, würde ihr genügen.
»Als erstes«, sagte sie zu Ricardo, »werden wir einen Farbfernseher kaufen.«
»Dios mio!«, rief Señora Maria. »Hast du denn so viel Geld?«,
»Es wird für uns reichen«, entgegnete Carmen. »Not werden wir jedenfalls nicht leiden müssen.«
Carmen gab ihr Geld mit vollen Händen. Sie unterstützte die Armen des Dorfes, und man vergaß, was Carmen allen angetan hatte, indem sie damals gegangen war. Man verzieh ihr, nahm sie großzügig auf, und sie genoss die Achtung der einfachen, bescheidenen Menschen. Ja, sie sog diese Achtung förmlich in sich auf, denn sie wusste genau, dass man ihr in der Zeit ihres Dirnenlebens im Grunde nur Verachtung entgegengebracht hatte.
Es kamen wunderschöne Tage am Strand.
»Siehst du, Carmen«, sagte Ricardo, während Carmens Kopf in seiner Armbeuge ruhte und die Brandung leise ihre Füße umspülte. »Es ist alles so geblieben. Unsere Liebe ist immer noch da. Es hat sich nichts verändert, Carmen.«
Er schien nichts von ihrem Vorleben zu wissen. Sie zögerte, wusste nicht, ob sie ihm die Wahrheit sagen sollte. Würde sie mit dieser Wahrheit nicht alle Illusionen aus seinem Herzen reißen und vielleicht die Liebe zerstören? Aber sie wollte
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