Hurra, die Lage wird ernst
sein
breites Kuhgesicht.
»Na, dr Onkel Jo tut dir wohl doch
en bißchen leid, was?«
Wenn ich ihm nur helfen könnte. Er
tat mir wirklich leid. Er fluchte nicht herum wie Bully, und er blieb
ebensowenig völlig unberührt wie Eddie. Jo fühlte sich elend, das konnte ich
sehen. Jo litt. Bestimmt hatte er seine Untat längst bereut, und würde sie
ungeschehen machen, wenn er nur könnte. Dies war das einzige Gesicht, aus dem
ein Gewissen sprach, und außerdem war er mein Freund.
Diesem Manne mußte geholfen werden.
Was ging mich die menschliche Gerechtigkeit an? Ich fabrizierte, wenn ich dazu
in der Lage war, meine eigene, eben eine Hundegerechtigkeit, die von völlig
anderen Gesichtspunkten ausging. Dies war eine Möglichkeit, mich zu
revanchieren. Befreiest du mich, befrei’ ich dich. Ich war jetzt fest
entschlossen, ihn dem Kerker zu entziehen, mit meinen geringen Kräften und
meinen beschränkten Möglichkeiten.
Ich mußte einen Gegenstand finden,
mit dem er sich seiner Fesseln entledigen konnte. Aber so sehr ich auch suchte,
ich fand nichts. Kein Messer, keine Schere, nichts. Anja war ein viel zu
ordentliches Hausmädchen, als daß bei ihr etwas länger als nötig herumlag. Da
blieb also nichts anderes übrig, als die Stricke durchzubeißen, oder wenigstens
einen, dann würden sich die anderen von selber lockern. Viel Zeit hatte ich
nicht mehr, denn die Polizei, dein Freund und Helfer, konnte mitunter recht
schnell zur Stelle sein. Und ausgerechnet jetzt, wo sie sich ruhig etwas mehr
Zeit hätten nehmen können, brausten sie bestimmt mit heulenden Sirenen heran.
Da war es schon besser, ich begab mich unverzüglich ans Werk. Fassungslos sah
Jo zu mir herab, als ich mich anschickte, seine Fußfesseln zu benagen wie ein
Hamster, dann aber stoppte er meine Bemühungen.
»Nit da unten Schuftel, die nit.
Komm hinten rum, die mußte durchbeißen.« Gleichzeitig wedelte er dauernd mit
seinen gefesselten Händen, die hinten am Stuhl herunterhingen. Ich verlegte
also mein Operationsziel hierher und mußte zu meinem Entsetzen feststellen, daß
ich kaum so weit hochreichen konnte. Aber wenn Jo sagte, ich solle es lieber an
den Händen versuchen, dann wollte ich ihm den Gefallen nicht abschlagen. Er
würde schon wissen, warum er es so haben wollte. Ich renkte mir fast den Hals
aus, aber ich hielt durch. Ich stellte mich auf alle vier Zehenspitzen und
nagte und rieb und sägte und scheuerte, bis die Schnur ganz faserig und endlich
in zwei Teile zertrennt war.
Mit einer Schnelligkeit, die ich Jo
niemals zugetraut hätte, zog er seine Hände aus den Schlingen, dann bückte er
sich und knüpfte auch die Schnur auf, mit der seine Füße gebunden waren.
Glücklich, es endlich geschafft zu haben, sahen wir uns beide an, und er
lächelte so lieb zu mir herunter, daß sein Gesicht fast schön wurde.
»Dankeschön Fippemann, dat werd’ ich
dir nie verjessen«, sagte er, zauste noch einmal mein Fell zum Abschied und
dann war er durch die Terrassentür verschwunden. Viel Glück auf den Weg, dachte
ich und hoffte innig, die Polizei möge ihn nie erwischen.
Kaum war Jo ein paar Minuten
verschwunden, stieß Herr Debray die Küchentür auf, ließ einen uniformierten
Menschen vorangehen und wies mit einer theatralischen Geste stolz auf den
leeren Stuhl.
»Und das ist der vierte«, verkündete
er, konnte selbst aber noch gar nicht sehen, was er dem Kommissar da anbot.
»Was hat denn der Hund damit zu
tun?« fragte der Beamte, worauf Herr Debray um ihn herumäugte und mit
entsetztem Gesicht den unersetzlichen Verlust feststellte.
»Der Hund nichts, natürlich nicht.
Den vierten Kerl hatten wir hier an den Stuhl gebunden, da, sehen Sie doch, da
sind ja sogar noch die Fesseln.
Herr Debray konnte es nicht fassen,
und der Kommissar Knöpfle auch nicht. Sie suchten gemeinsam die durchgebissene
Schnur, hielten kopfschüttelnd deren Enden aneinander und kamen dann doch zu
keinem Resultat.
»Sofort drei Mann Verfolgung
aufnehmen!« befahl der Kommissar in dementsprechendem Ton und verließ
kopfschüttelnd den Ort der ungeklärten Tat.
Sie blieb ungeklärt. Nicht einmal
Anja kam auf die doch so naheliegende Idee, daß ich einem Freund, der sich in
Not befand, geholfen hatte. Zu guter Letzt war der Kommissar froh, daß er
wenigstens drei der Einbrecher mitnehmen konnte. Herr Debray erntete viel Lob.
Hatte ich’s nicht immer gesagt,
typisch Detektiv, immer und überall klüger sein wollen, als die Polizei
erlaubt. Dabei hatte er es nur
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