Hutch 02 - Die Sanduhr Gottes
jemanden hätten, den wir interviewen können.« Canyon hatte alle notwendigen Empfehlungen – einen Harvard-Abschluss, ausreichend Erfahrung durch Washington Online und später durch Sam Brewster. Brewster war ein außerordentlich effektiver Skandalmacher, und Canyon hatte eineinhalb Jahre für ihn gearbeitet, lang genug, Brewster auf die Tatsache aufmerksam zu machen, dass er nicht abgebrüht genug war, Skandale zu provozieren, andererseits aber alle möglichen wichtigen Kontakte störte. Nach einer nicht eben freundschaftlichen Trennung war es Canyon mit einigem Glück gelungen, beim Toledo Express zu landen.
»Wir haben eine ganze Schiffsladung an Wissenschaftlern, mit denen wir sprechen können.«
»Richtig. Haben Sie je versucht, einem Physiker irgendeine Äußerung zu entlocken, an der die Leute auch nur entfernt interessiert sein könnten?«
»Das haben wir doch schon gemacht, wenn sich eine Gelegenheit ergeben hat.«
»Sicher. Kubentheorie. Gravitationswellen. Kräfteinsultation. Echt heißes Zeug.«
»Ich glaube, das heißt Kräftekorrelation.«
Er atmete tief durch. »Als würde das etwas ändern. Was wir brauchen ist ein interessanter Politiker. Jemand, der einen Standpunkt gegen die Zerstörung von Planeten vertritt.«
»Hören Sie auf, sich selbst zu bemitleiden«, sagte sie. »Wir haben eine Datenbank, in der alle wichtigen Namen gespeichert sind.«
»Ich weiß«, entgegnete er. »Tasker ist auf der Wendy, und er wird reden, aber genau das ist das Problem. Er redet ständig.«
»Notfalls können wir nachträglich kürzen. Hören Sie, Augie, wir sind hier, und wir werden das Beste aus der Sache machen müssen. Ich hätte mir diesen Auftrag auch nicht freiwillig ausgesucht. Aber diese Geschichte wird weit mehr Interesse hervorrufen, als Sie denken.«
»Und warum sollte sie das?«
»Weil nicht jeden Tag zwei Welten zusammenkrachen.« Sie legte die Stirn in Falten, und vermutlich galt ihre bedauernde Miene weniger dem Auftrag als ihrem Partner. »Und weil es Ruinen auf Deepsix gibt.«
»Aber kein Anzeichen einer Zivilisation. Denken Sie wirklich, irgendjemand interessiert sich dafür, wenn mit allem anderen auch ein Haufen Steine untergeht?«
»Augie, wer hat diesen Haufen Steine hinterlassen?«
»Ich bezweifle, dass den Leuten, die sie auf die Oberfläche geschickt haben, genug Zeit bleibt, das herauszufinden.«
Sie lächelte nachsichtig. »Genau darum geht es. Diese Welt ist ins Chaos gestürzt. Dreitausend Jahre Eiszeit. Das bedeutet, was immer dort lebt, ist primitiv. Primitive sind gnadenlos langweilig. Aber eine untergegangene Zivilisation? Das nenne ich eine Nachricht. Die Leute, mit denen wir sprechen sollten, sind auf der Oberfläche und stöbern in diesem Turm herum. Sie sind nicht auf dem Schiff. Wir müssen nur einen Weg finden, wie wir diese Story aufziehen, und schon sind wir im Geschäft.«
Er ließ seinen Kopf gegen die Lehne fallen und starrte zur Decke. »Wissen Sie, Emma«, sagte er, »manchmal hasse ich diesen Job.«
Kapitel IX
»Archäologie ist eine Aufgabe für Leute mit einer unheilbaren Geistesschwäche. Ein Archäologe ist ein Müllsammler mit Hochschulabschluss.«
Gregory MacAllister, Karriereschlaf, aus: Anflughäfen
Die Wendy glitt träge an der ganzen Länge des Konstrukts entlang. Sie sammelten Bilder, obwohl sämtliche Abschnitte exakt gleich aussahen, zählten die Verankerungen (zusammen genau neununddreißig), die die Schäfte miteinander verbanden, und erreichten schließlich den Asteroiden auf der planetenabgewandten Seite.
Der Asteroid, eher ein Felsen als ein Eisenklumpen, war eine beinahe perfekte Kugel. Er war mit einem metallischen Netz umwickelt, das ihn mit Hilfe einer rechteckigen Platte auf dem Konstrukt sicherte. Die Platte, mehrere Meter dick, war an sämtlichen Ecken und Kanten abgerundet.
Angesichts der extremen Länge des Objekts wirkte der Asteroid übertrieben klein, solange man ihn aus der Ferne betrachtete. Tatsächlich maß er mehr als einen Kilometer im Durchmesser.
Marcel und Beekman beobachteten die Annäherung in der Projektkontrolle. Beekman wirkte ein wenig enttäuscht, und Marcel, der sich fragte, wie er in einem so außerordentlichen Moment verstimmt sein konnte, erkundigte sich, was denn nicht in Ordnung sei.
»Ich hatte gehofft«, antwortete ihm Beekman, »etwas zu entdecken, das uns einen Eindruck davon vermitteln könnte, wer das Ding gebaut hat. Welchem Zweck es dienen sollte. Ich dachte, an dem
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