Hutch 05 - Odyssee
beinahe unausweichlich. Ein Fehltritt …«
»Ich habe das Gleiche durchgemacht, Henry. Sie müssen das irgendwann doch hinter sich gelassen haben.«
»Das habe ich. Mehr oder weniger.« Seine Augen schlossen sich. »Aber ich war nie wirklich davon überzeugt, dass sie vielleicht doch Unrecht hätten. Dass, wenn ich sterbe, nicht über mich geurteilt wird.«
»Na schön, Henry. Was haben Sie vor, vor Gericht zu sagen?«
»Ich werde mich schuldig bekennen. Und die Strafe annehmen, die sie mir auferlegen.«
»Wissen Sie«, sagte MacAllister, »es gibt Millionen von Kindern, überall in diesem Land, die gerade jetzt genau das durchmachen müssen, was Sie durchgemacht haben. Warum konfrontieren Sie die Kirche nicht mit dem, was sie Ihnen angetan hat?«
»Die Kirche konfrontieren?«
»Ja.«
»Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Das könnte ich nicht.«
»Warum nicht?«
»Niemand würde mir glauben, darum. Die Leute hier in der Gegend sind ziemlich religiös. Ich musste sogar schon umziehen.«
»Sie haben bereits bewiesen, dass Sie gern zurückschlagen würden. Warum tun Sie das dann nicht in einer Weise, die Sie nicht ins Gefängnis bringen kann? So könnten Sie vielleicht den einen oder anderen wachrütteln.«
Er saß eine Minute lang nur da und starrte MacAllister an. »Und wie soll ich das anstellen?«
»Entscheiden Sie sich jetzt, ob Sie bereit sind, den Kampf aufzunehmen! Sind Sie es, dann werde ich Ihnen einen der besten Anwälte des Landes besorgen.«
MacAllister hatte nicht übertrieben, als er von seinem schulischen Werdegang erzählt hatte. Er stammte aus einer religiösen Familie, und es hatte eine Zeit gegeben, da hatte sein Vater gehofft, der junge Gregory würde eines Tages Prediger werden. Was lediglich bewies, wie realitätsfern Macs alte Herr gewesen war. Die früheste religiöse Empfindung, an die MacAllister sich erinnern konnte, war Zorn gewesen, Zorn gegenüber Adam, weil er daran Schuld war, dass Mädchen Kleider tragen mussten. In späteren Jahren, als sein Mangel an Glauben zunehmend offensichtlicher zutage getreten war, hatte er seine Mutter zum Weinen gebracht und seinen Vater in den Wahnsinn getrieben. Seine Mutter hatte ihm einmal während eines Gottesdienstes erklärt, er sei eine Schande für die ganze Familie. Und dies war eine Familie, die nie irgendetwas Bemerkenswertes zustande gebracht hatte, abgesehen davon, dass keiner seiner Angehörigen je im Gefängnis gelandet war.
Noch am Abend seiner Unterhaltung mit Henry Beemer heuerte MacAllister Jason Glock an, dessen Lebenslauf die Übernahme einer Vielzahl von wenig populären Fällen aufwies, um sich seiner Dienste als Verteidiger zu versichern. Pro bono.
Da war noch etwas Interessantes. Tief vergraben zwischen den üblichen Berichten über Aufstände im Nahen Osten, Prominente in Schwierigkeiten und korrupte Politiker fand Mac eine weitere Sichtung von Moonridern. Dieses Mal an einem fernen Ort. Draußen bei Capella. Wo immer das war. In jüngster Zeit hatte es eine ganze Reihe dieser Sichtungen gegeben, und das Seltsame war, dass das Ereignis jeweils von Sensoren und Teleskopen aufgefangen worden war. Bildmaterial konnte leicht gefälscht werden, aber es war schwer zu glauben, dass professionelle Piloten sich diese Mühe machten. Besonders, da sie wussten, sie würden von den Skeptikern nur ausgelacht werden.
Mac hatte seit Jahren Material für eine Geschichte über Selbsttäuschungen gesammelt. Das Buch, das den Arbeitstitel Der dunkle Spiegel trug, würde sich mit der Religion, dem Kommunismus, den Shakern (jenen großartigen, zölibatären Freikirchlern, die zwangsläufig zu existieren aufgehört hatten), diversen politischen Bewegungen, den Zurück-zur-Natur-Fantastereien aus der Mitte des zweiundzwanzigsten Jahrhunderts und einem Haufen anderer Themen befassen. Allmählich kam Mac zu dem Schluss, dass er einen Abschnitt außerirdischen Besuchern widmen sollte. Dennoch schien das nicht ganz dasselbe zu sein. »Tilly«, sagte er, »schau, ob du eine Verbindung zu Priscilla Hutchins herstellen kannst.«
Er fing an, in einem Bericht der Marketing-Abteilung zu blättern, wobei er zunächst einen Blick auf das Endresultat warf, das in Ordnung war. MacAllister fing immer mit dem Endergebnis an. Bei allem. Hätte jemand gefragt, so hätte er gesagt, dies sei das Geheimnis seines Erfolgs. Er war noch immer damit beschäftigt, Zahlen und Prognosen zu analysieren, als Tilly ihn informierte, die Verbindung sei nun
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