Hutch 06 - Hexenkessel
sind, um nachzusehen, was hinter dem Horizont ist. Wieder einmal greifen wir hinaus in die endlose Dunkelheit dort draußen. Lasst uns einen Moment innehalten und beten, der Herr möge bei ihnen sein und sie auf ihren Wegen führen!
Bischöfin Mary Siler, Eröffnungsworte bei der 112. Methodistenkonferenz auf Tarawa, Sonntag, 18. November
Kapitel 23
Rudy nahm seinen Platz neben Antonio ein, und das Gurtsystem schloss sich um ihn. Das Murmeln der Elektronik in den Wänden – Schotts, um den korrekten Terminus zu bemühen – wurde etwas lauter. Dann ertönte Hutchs Stimme über die Allcomm: »Auf geht’s, meine Herren!«
Es klickte und piepte. Rudy konnte fühlen, wie die Energie durch Schaltkreise strömte. Etwas krachte, und das Schiff setzte sich in Bewegung. Seitwärts, aber es bewegte sich.
Antonio beugte sich herüber und schüttelte ihm die Hand. »Jetzt geht es los, Rudy«, meinte er.
Rudy ertappte sich dabei, Brad Wilkins’ Savannah Express zu summen, als sie die Station verließen. Through the night, rolling, rolling, the Savannah Express carries me home to you …
Die Vorstellung, dass seine, Rudys, Leidenschaft für die interstellare Raumfahrt vollkommen uneigennützig sei, hatte Rudy immer mit Stolz erfüllt. Dass er sich damit zufriedengebe, daheim zu bleiben, während andere zu den Sternen flogen. Stets hatte er das Gefühl gehabt, im Geiste bei ihnen zu sein. Er hatte die Berichte studiert, die aus dem All zurückkamen, hatte aus dem Orbit auf Hunderte von fernen Welten hinuntergeblickt, war an riesigen Sonnen vorübergezogen. Solange Menschen dort draußen waren, reiste er mit ihnen. Aber er hatte genug erlebt, um zu wissen, dass der Aufenthalt in einer VR-Kabine etwas anderes war, als wirklich dort draußen zu sein.
Als die Preston sich gemächlich von ihrem Dock entfernte und den Bug auf die Hangartore ausrichtete, auf die Sterne, erinnerte Rudy sich an Audrey Cleavers Kommentar beim Anblick von TX Cancri: Der Tag werde kommen, an dem er beinahe alles darum gäbe, diese Erfahrung noch einmal zu machen. Und Rudy verstand, was Audrey gemeint hatte.
Der Monitor schaltete sich ein, und das Innere der Station glitt an ihnen vorüber, die Docks, die Büros, die langen Sichtluken für Stationsbesucher. Die meisten Docks waren leer.
Man ging allgemein davon aus, dass Union allmählich zu einem Museum würde, einem Monument eines vergangenen Zeitalters. Aber vielleicht würde sich die Lage der Station ja mit Hilfe der Preston doch wieder ändern.
Das Bild auf dem Monitor lieferte den Missionsteilnehmern nun die Aussicht nach vorn. Die Preston schob sich durch die Tore. Das Geräusch der Motoren, bisher kaum wahrnehmbar, wurde lauter und noch ein bisschen lauter, bis es sich zu einem lauten Gebrüll gesteigert hatte. Die Beschleunigung presste Rudy in seinen Sitz. Ein glorreicher Augenblick. Auf der Brücke sprach Hutch mit der KI.
Der Monitor schaltete auf das Heck um, und Rudy sah zu, wie die Station hinter ihnen kleiner wurde.
Nachdem Hutch die Motoren gedrosselt und ihre Mitreisenden darüber informiert hatte, dass sie die Gurte nun lösen könnten, kam sie für eine Minute herüber, um nach ihnen zu sehen. »Matt startet gerade«, berichtete sie. »Wir werden ihm Zeit geben, uns einzuholen, und dann, nehme ich an, können wir loslegen.«
Rudy konnte sich die eher sinnentleerte Bemerkung, die Preston sei immer noch ein verlässliches Schiff, nicht verkneifen, und Hutch lächelte höflich und erklärte, sie hoffe es.
»Wie fühlt sich das an?«, fragte Antonio. »Nach so langer Zeit wieder ein Schiff zu fliegen?« Er war immer noch Journalist, immer noch interessiert an einer kernigen Antwort.
»Gut«, antwortete sie. »Es hat sich immer gut angefühlt.«
Die Sterne waren so hell. Wie hatte Homer gesagt? Die Lagerfeuer eines großen Heeres? Aber der Himmel selbst sah still aus. Nirgends bewegten sich irgendwelche Lichter. »Sonst noch irgendwo Verkehr?«, fragte Rudy.
»Nein«, erwiderte sie. »Niemand außer Matt.«
»War das früher auch so?«, hakte er nach.
»Mehr oder weniger. Manchmal konnte man jemanden ankommen oder abreisen sehen, aber nicht sehr oft.«
Hinter ihnen, in der Nähe der Station, blinkten Lichter auf. »Das wird er sein«, meinte sie. Phyl vergrößerte das Bild, und sie sahen zu, wie die McAdams Kurs auf sie nahm.
Die Preston beschleunigte wieder, kaum dass das andere Schiff längsseits gegangen war. Die McAdams war das Größere der beiden
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