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Hymne an Die Nacht

Hymne an Die Nacht

Titel: Hymne an Die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Madsack
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abgelegenen und exotischen Ort gesucht, um Joanna vor weiteren Attacken Kyrills in Sicherheit zu bringen, und dann war ihm klar gewesen, dass es dafür nur ein Ziel geben konnte. Er sah noch immer das Leuchten in ihren grünen Augen vor sich, als er den Namen ausgesprochen hatte: Transsylvanien. Das Land hinter den Wäldern.
    »Sind Sie noch dran, Graf Stanislaw?« Der Pater klang ungeduldig.
    »Ja, tut mir leid, Don Basilio, ich war in Gedanken.«
    »Vergessen Sie nicht, dass ich für Sie da bin, falls Sie mit jemand reden wollen, und das sage ich Ihnen jetzt nicht als Mann der Kirche.«
    »Danke, Pater. Es ist gut zu wissen, dass es Sie gibt.«
    Stanislaw legte das Mobiltelefon beiseite. Igor hatte sich während dieses Telefonats zu seinen Füßen zusammengerollt. Als Stanislaw aufstand, blickte das Tier fragend zu ihm hoch. »Wir werden sehen«, murmelte Stanislaw, »jetzt müssen wir uns erst mal um unsere Kleine kümmern.«

Elf
    Joanna wartete vor dem Hotel. Sie begrüßte ihren Vater mit einem Kuss auf die Wange, eine Geste, die er gerührt erwiderte. Während ein Angestellter des Hotels den Wagen aus der Garage holte, musterte sie ihn verstohlen. Er trug einen breitkrempigen Hut und ein langes Lodencape.
    »Ich finde, du siehst richtig, nun ja … cool aus.«
    »Cool?«
    »Ja, wie ein transsylvanischer Landadeliger. Was du schließlich auch bist oder zumindest einmal warst.« Sie lächelte ihn an, und in diesem Moment war alles gut.
    Er wartete, bis Joanna und Igor in den Wagen gestiegen waren, dann fuhr er los.
    »Wohin fahren wir?« Joannas Stimme klang interessiert, wenn auch ein wenig skeptisch.
    »Zu einer klassischen Transsylvanien-Reise gehört die Besichtigung der sieben Schlösser, denen die Gegend ihren anderen Namen verdankt, Siebenbürgen. Wir haben Zeit genug, sie alle zu sehen, falls du möchtest. Natürlich können wir täglich nur eines der Schlösser besichtigen, weil die Fahrt dorthin jeweils einen Tagesausflug bedeutet und weil …«
    »… weil es uns nicht möglich ist, früher loszufahren als jetzt, weil es bei der Ankunft schon fast dunkel sein wird und weil das Schloss dann wegen Reparaturarbeiten während der toten Saison seine Tore ohnehin geschlossen haben könnte«, beendete sie seinen Satz. »Außerdem«, fügte sie leise hinzu, »habe ich keine Lust auf ein Sightseeing-Programm für Touristen. Ich dachte, du willst mir dein Land zeigen und nicht das, was man in jedem Reiseführer findet.«
    »Du hörst dich an wie Pater Basilio, er hat vorhin so etwas Ähnliches gesagt.«
    »Ihr habt telefoniert? Wie geht es ihm? Und wie geht es meinen Hunden?«
    »Ihm geht es gut und Max und Blanca ebenfalls. Willst du gar nicht wissen, was mit deiner Mutter ist?«
    Joannas Gesichtszüge verschlossen sich. »Natürlich will ich das wissen, aber sie hat ihr Handy ausgeschaltet, ich kann sie nicht erreichen. Vielleicht ist sie so wütend auf mich, weil ich jetzt mit dir hier bin, dass sie erst mal nicht mit mir reden will. Es war ja auch harter Tobak für sie, was sie bei ihrer Rückkehr aus London erwartet hat.«
    »Mach dir deswegen nicht so viele Gedanken, ich weiß vom Pater, dass einer seiner Ordensbrüder sie in ein Kloster nach Deutschland mitgenommen hat. Die nehmen dort Gäste auf, die der Welt draußen mal für eine Weile den Rücken kehren wollen. Offenbar fühlt sich Clarice dort momentan ganz wohl.«
    »Aber es handelt sich doch nicht um ein Schweigekloster, oder?«
    »Gib deiner Mutter etwas Zeit, sich an die Situation zu gewöhnen. Womöglich hat sie das Gefühl, dass du dich … wie soll ich sagen, dass du dich auf meine Seite geschlagen hast, und jetzt ist sie erst mal verunsichert. Aber ich kann dich beruhigen. Sie sorgt sich um dich und hatte den Pater gebeten, mich anzurufen.«
    Stanislaw sah ihr an, wie erleichtert sie war. Sie hatten das geschäftige Stadtzentrum von Brasov hinter sich gelassen. An einer Kreuzung mit mehreren Schildern stand der Ortsname »Rasnov«.
    Er hielt am Straßenrand, stellte den Motor ab und nahm ihre Hände. »Ich kann dir nur zeigen, was mir vertraut ist, und davon gibt es nicht mehr viel. Alles Neue werde ich gemeinsam mit dir entdecken. Als Erstes sollst du aber das kennenlernen, wo alles begann, meinen Geburtsort mit der befestigten Kirchenburg, die den Bewohnern von Rasnov damals Schutz vor Angriffen bot.«
    *
    Ein steil ansteigender Weg führte zu der Anhöhe, auf der sich die Burganlage des Örtchens Rasnov noch immer wehrhaft gegen den

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