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Hymne an Die Nacht

Hymne an Die Nacht

Titel: Hymne an Die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Madsack
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einfach abgeschaltet.
Sitze gerade in der Halle vor der Gästetoilette
, antwortete sie,
Füße schmerzen wegen blöder Pumps. Und wo seid ihr?
Das klang unverfänglich genug, fand sie.
    Gut zu wissen, dass dich noch kein Transsylvanier gekidnappt hat
, kam die rasche Antwort,
bin noch in anregender Unterhaltung mit Maria. Wann möchtest du gehen?
    Bald
, schrieb sie zurück.
Oder gibt es andere Pläne mit Maria?
    Wofür hältst du mich?
    Eben! In spätestens einer halben Stunde vor dem Eingang? Und schickst du Igor zu mir? Ich vermisse ihn.
    Roger. Er ist gleich bei dir.
    Gleich darauf hörte sie Getrappel auf der Freitreppe, dann fuhr eine feuchte Schnauze über ihr Gesicht. Joanna atmete den vertrauten Geruch ein, doch der Wolfshund wich plötzlich zurück.
    »Was hast du, mein Großer? Ist etwas nicht in Ordnung?« Sie beugte sich vor und versuchte, das Tier durch Streicheln zu beruhigen, worauf eher die umgekehrte Wirkung erfolgte. Je näher sie Igor kam, desto nervöser reagierte er, bis er aufsprang und sich in einiger Entfernung von ihr niederlegte, den Kopf abgewandt, das Rückenfell zu einer unübersehbaren Bürste aufgestellt.
    Endlich begriff sie. Igor hatte Witterung aufgenommen. Mit seinem Geruchssinn, der dem seines Herrn so gut wie ebenbürtig war, hatte er wahrgenommen, was in jenem verschwiegenen Abteil auf der Gästetoilette vor sich gegangen war. Es gab eine Geruchsspur, und ein Geschöpf wie Igor konnte sie lesen. Dass sie darauf nicht früher gekommen war!
    Ein Gefühl der Scham überkam sie. Sie ging zu Igor, kniete sich in einiger Entfernung vor ihn hin und legte bittend den Finger an ihren Mund. Er hob kurz den Kopf, warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu und ließ den Kopf mit einem tiefen Seufzer wieder auf die Pfoten sinken. Offenbar hatte er verstanden. Aber jetzt musste sie den Geruch so schnell wie möglich loswerden, bevor Stanislaw auftauchte.
    Wie gerufen, erschien der Butler mit einem Tablett leerer Gläser in der Halle. »Sagen Sie bitte, Cornel«, flötete sie, »gibt es hier ein Bad, in das ich mich kurz zurückziehen könnte? Ich würde mich gerne etwas frisch machen.«
    »Ich verstehe, Miss« unterbrach er sie mit undurchdringlicher Miene, »bitte folgen Sie mir.«
    Mit gesenktem Kopf trabte sie hinter Cornel her. Am Ende eines Ganges blieb er stehen. »Bitte, das ist eines der momentan verfügbaren Gästebäder.« Eines der momentan verfügbaren? Wie viele Zimmer hatte dieses Zauberschloss?
    Sie dankte ihm und verschloss die Tür von innen. Dann zog sie sich aus und stieg in die Dusche. Unter dem heißen Wasserstrahl rieb sie ihre Haut, als müsse sie sich von sämtlichen Sünden reinigen, von den gerade erst begangenen wie auch von den künftigen. Während sie sich wieder anzog, piepste ihr Handy erneut. Es war Stanislaw, und er klang leicht verlegen: »Gibst du mir noch eine halbe Stunde? Maria will unbedingt mit mir tanzen, bevor ich gehe. Kommst du zu uns? Und wo treibst du dich herum? Bei Vadim kannst du nicht sein, er unterhält sich gerade mit den Musikern der Zigeunerband.«
    »Ich bin gleich da«, erwiderte sie, erneuerte ihr Make-up und sprühte einen Hauch ihres Parfüms aufs Dekolleté. Ohne sich zu verirren, fand sie in die Halle zurück.
    Igor lag schlafend und mit angezogenen Läufen noch immer vor dem Sofa, doch als sie an ihm vorbeihuschen wollte, öffnete er ein Auge. Sie machte eine rasche Handbewegung, worauf er das Auge wieder schloss. Langsam ging sie die Treppe hinauf, die Schuhe hatte sie wieder angezogen, obwohl sie bei jedem Schritt drückten. Oben blieb sie vor der halboffenen Flügeltür stehen, atmete tief ein und drückte die Tür ganz auf.
    Die Ausdünstungen von feiernden Menschen mischten sich mit Tabakrauch und dem Geruch der Speisen, die erst jetzt abgetragen wurden. In den wuchtigen Sitzmöbeln hingen ein paar abgekämpft wirkende Gestalten, eine davon war Radu. Er schaffte es gerade noch, die Hand zu heben und ihr zuzuwinken.
    »Da sind Sie ja«, brummelte er mit schwerer Zunge, »amüsieren Sie sich gut? Aber hüten Sie sich vor Vadim, für jemand wie den sind Sie … was wollte ich jetzt sagen …? Ach ja, viel zu schade für diesen Weiberheld, aber das …« Im nächsten Moment war er eingeschlafen.
    Radu hat recht, dachte Joanna, während sie den Raum durchquerte und sich der Partyzone dahinter näherte, sie war zu schade für einen, der glaubte, jede flachlegen zu können, auch wenn er der angesagteste Filmstar Rumäniens war und die

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