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Hymne an Die Nacht

Hymne an Die Nacht

Titel: Hymne an Die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Madsack
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nächsten Ortschaft die Schnellstraße verlassen, das seien nur noch wenige Kilometer. Von dort solle er den Schildern in Richtung Predeal folgen. Über ein Hochplateau gelange er zum Wintersportort Poiana Brasov.
    Kyrill ließ sich den Weg auf der Karte zeigen, um sicherzugehen, dass er die Ortsnamen richtig verstanden hatte. Er bedankte sich mit einem großzügigen Trinkgeld, worauf der Tankwart ihm noch versicherte, diese Route sei landschaftlich von besonderem Reiz.
    Der Vampir lächelte, aber es sah eher aus, als würde er die Zähne blecken. Endlich war er in Transsylvanien, um mit den beiden abzurechnen, mit Stanislaw und mit Joanna. Die Detektei, die er beauftragt hatte, war bald fündig geworden. Der Graf von Lugosy und seine Tochter hatten seit ihrer Ankunft in Bukarest eine Spur hinterlassen, die direkt in dieses Brasov führte. Eine reizvolle Landschaft? Was kümmerte ihn das? Er hatte eine Mission zu erfüllen, nur das war ihm wichtig. Für Rumänien konnte er sich ohnehin nicht begeistern, seine eigene Heimat, die Ukraine, war ein viel schöneres Land.
     
    Er hatte inzwischen den Ort Predeal erreicht und folgte einem Schild, das die Richtung über den Gebirgskamm anzeigte. Da er sich seinem Ziel schon so nahe fühlte, fuhr er gemächlicher, außerdem war die Straße voller Schlaglöcher.
    Der Chef der Bukarester Agentur hatte versprochen, sich persönlich um diesen Auftrag zu kümmern. Kein Wunder bei der Summe, die hinterlegt worden war. Aber er hatte bereits gute Arbeit geleistet, so etwas schätzte Kyrill. Seitdem wusste er nicht nur, dass Stanislaw und Joanna sich seit einigen Tagen im Hotel »Aro Palace« aufhielten und Ausflüge in die Umgebung unternommen hatten, er wusste einiges mehr.
    Offensichtlich hatte sich die Kleine mit diesem Schauspieler eingelassen, der sich Vadim nannte. Seit gestern wohnte sie zumindest nicht mehr im Hotel bei ihrem gräflichen Papa, sondern bei Vadim. Kyrill konnte sich gut vorstellen, dass Stanislaw deswegen vor Eifersucht schäumte. Nur würde er sich hüten, den Geliebten seiner Tochter offen zu bekämpfen. Ein spannendes Szenario, fand Kyrill, daraus ließe sich etwas machen.
    Über den Schauspieler hatte er im Internet recherchiert. In Rumänien war er ein Star, und auch im Ausland hatte er einen Namen, seine eigentliche Karriere hatte jedoch vor Jahren in Amerika begonnen. Er galt als Frauenheld und wurde immer wieder mit Drogenkonsum in Verbindung gebracht. Beides machte ihn aus Kyrills Sicht sehr angreifbar. Wirklich beeindruckt hatte ihn, dass Vadims Vater ihm ein Millionenvermögen hinterlassen hatte, denn in diesen Dingen kannte Kyrill sich aus. Ohne seine finanzielle Unabhängigkeit würde er auch als Vampir ein elendes Dasein fristen, so aber standen ihm alle Möglichkeiten offen.
    Von Stanislaw hieß es unter seinesgleichen, er habe von jeher unter einem Gefühl der Einsamkeit und Entwurzelung gelitten. Kyrill besaß genügend Phantasie, um sich vorstellen zu können, wie sehr das Auftauchen einer Tochter diesen Zustand verändert hatte, noch dazu durch ein Mädchen wie Joanna. Er machte sich nichts vor. Im direkten Kampf gegen einen so starken Gegner wie Stanislaw hätte er vermutlich kaum eine Chance. Doch sein Feind hatte eine Schwachstelle, und das war Joanna. Kyrill vermutete sogar, dass sie für ihren Vater inzwischen wichtiger geworden war als Daphne, die sich in Zürich wieder um ihre musikalische Karriere kümmerte.
    Diesen Umstand würde er sich zunutze machen und sich an beiden gleichzeitig rächen. Dafür gab es nur ein Mittel: die junge Frau in seine Gewalt zu bringen und ihr Blut zu trinken, bis sie nur noch eine leblose Hülle war. Im Bewusstsein vorweggenommener Genugtuung wollte er aufs Gaspedal drücken, als er in einiger Entfernung vor sich einen Landcruiser entdeckte, der mit laufendem Motor am Straßenrand stand.
    Kyrill reduzierte die Geschwindigkeit und näherte sich dem anderen Fahrzeug in moderatem Tempo. Ein Sterblicher hätte in der Dunkelheit kaum etwas sehen können, doch Kyrills Augen erkannten sofort Joanna auf dem Beifahrersitz und neben ihr einen Mann, bei dem es sich um den Schauspieler handeln musste.
    Ein inneres Zittern erfasste ihn. Er fuhr ein Stück weiter und ließ den Landcruiser hinter sich, um keinen Verdacht zu erregen, doch sobald er nach der nächsten Kurve außer Sichtweite war, lenkte er den Wagen in ein kurzes Waldstück hinauf, bis er von unten nicht mehr zu sehen war. Dort stellte er den Motor ab und

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