Hype: Thriller (German Edition)
etwas kapierte man noch nicht, wenn man fünfzehn war. Traurigerweise hatte er sein Leben drüben in Älvsjö als Grillkohle beendet. War auf einem Waggon gesurft und hatte nicht gemerkt, dass die Leitungen auf dem Bahnhof manchmal tiefer hingen als draußen auf den offenen Gleisen.
Aber vor seinem Tod hatten sie viel Spaß miteinander gehabt. Sie hatten damit angefangen, während der Fahrt zwischen den Waggons hin und her zu springen, später hatten sie sich an der verlassenen Bahnstation in Kymlinge auf Tunnelsafari begeben. Dort draußen hatte HP die Gleislücke zum ersten Mal ausprobiert. Die blaue Linie war mit fast achtzig Sachen vorbeigerauscht, und für einige Sekunden hätte er sich wegen der Druckwelle und dem ohrenbetäubenden Lärm fast in die Hosen geschissen. Später hatten sie den Stunt auch an anderen Stellen ausprobiert, weil alle Stationen eine entsprechende Schutznische hatten. Wie ein schmaler Tunnel verlief sie den gesamten Bahnsteig über am Gleis entlang. Er müsste also bis zur Tunnelöffnung robben können, während der Zug die Sicht nach unten versperrte. Zumindest theoretisch …
Der Zug hatte gebremst, und er hörte aufgeregtes Stimmengewirr oben auf dem Bahnsteig.
»Nein, nein, verdammt, Sie dürfen nicht auf das Gleis hinunterklettern!«, rief eine Respekt einflößende Männerstimme, vermutlich der Zugführer.
»Der Strom muss abgekoppelt werden, bevor man etwas machen kann … die Verkehrsbetriebe haben Erfahrung damit, wir haben fast jede Woche einen, der springt. Die Polizei und die Feuerwehr sind unterwegs, könnten jetzt bitte alle einen Schritt zurücktreten?«
Die Stimmen wurden immer leiser, während er sich vorwärtsschlängelte.
Er kam langsamer voran, als er gehofft hatte.
Die Sprengsteine scheuerten an seinen Knien und Armbeugen, und noch dazu behinderte die voluminöse Daunenjacke seine Bewegungsfreiheit. In der Ferne hörte er Sirenen, die sich näherten. Er musste es ein gutes Stück in den Tunnel hineinschaffen, ehe die Feuerwehr den Strom abschaltete und das Gleis betrat.
Er pausierte einige Sekunden und begann dann mühsam, sich aus der Jacke zu schälen. Ohne sie würde es kalt werden, aber er hatte keine andere Wahl.
Ein kurzer Doppelcheck an den Jackentaschen, ob er auch nichts vergessen hatte. Portemonnaie, Schlüssel und Zigaretten.
Er kontrollierte sämtliche Gegenstände und verteilte sie in seinen Jeanstaschen. Nur das Feuerzeug fehlte noch, und er tastete über die Daunenjacke, bis er es schließlich in einer der vielen kleinen Taschen fand.
Es war wahnsinnig schwer herauszufummeln, wahrscheinlich war es irgendwie in das Innenfutter gelangt, und er überlegte einen kurzen Moment, ob er darauf pfeifen sollte. Dann wurde ihm klar, dass die Tunnelwanderung bis Gärdet ohne eine Kippe ziemlich lang werden würde, und deswegen unternahm er einen erneuten Versuch.
Diesmal steckte er die Finger ins Futter und riss es auf. Na also!
Doch das kleine, viereckige Ding, das er herausfischte, war kein Feuerzeug.
»Elite GPS 311« stand in winzigen Buchstaben auf der einen Seite des kleinen, flachen Rechtecks. Das erklärte natürlich eine ganze Menge. Sie hatten ihn mit einem Sender ausgestattet, ihm eine Ringmarke verpasst wie irgendeinem dämlichen Seehund! Deshalb hatten sie ihn also verfolgen können, ohne dass er es bemerkt hatte.
Die Platzierung war ziemlich smart, die Daunenjacke war dick und hatte ausreichend viele Reißverschlüsse und Ösen, weshalb er das kleine Ding nicht entdeckt hatte. Aber wie zum Teufel war es ihnen gelungen, den Sender dort hinzuschmuggeln? Die Jacke war doch nagelneu, er hatte sie direkt aus Beccas Einkaufstüte gezerrt, bevor er sich aus dem Staub machte. Was wiederum bedeutete, na was, Einstein?
Ein neuer Faktor in der Gleichung …
Verfluchter Mist!
Er musste sie sprechen und herausfinden, wen sie in der letzten Zeit getroffen hatte. Und er musste dafür sorgen, dass sie nicht noch mehr in die Sache hineingezogen wurde, als es anscheinend sowieso schon der Fall war.
Aber erst musste er irgendwie von hier wegkommen …
*
Tobias Lundh war natürlich ein Irrtum gewesen, eine Fehleinschätzung ihrerseits, für die sie jetzt gleich doppelt bezahlen musste. Ausgerechnet sie, die sich im Unterschied zu den meisten anderen Polizistinnen normalerweise nie mit Kollegen einließ, stürzte sich plötzlich in eine Affäre mit einem notorischen Schürzenjäger wie Tobbe. Der noch dazu der beste Kumpel und Nachbar ihres Chefs
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