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sahen seine Züge noch exakt so aus wie vor Jahrhunderten. Aber die Anspannung in seinem Körper war kaum zu übersehen.
Oder die trostlose Düsternis, die seinen Augen den Glanz nahm. Als hätten die Jahre ihm etwas Kostbares gestohlen.
»Deine Pflicht gegenüber dem Anasso?«
»Meine Pflicht gegenüber allen Vampiren. Unsere ureigene Existenz hängt von dieser Angelegenheit ab.«
Viper zog die Augenbrauen in die Höhe. »Du bist sehr melodramatisch für einen Vampir, der die Existenz eines Mönchs gewählt hat. Was könnte denn wohl so dringend sein?«
»Kannst du mir nicht einfach vertrauen?«
»Nein.«
Styx hob eine Hand, um den kleinen Anhänger zu berühren, der ihm um den Hals hing. Es war ein altes aztekisches Symbol, das er immer bei sich trug.
»Du machst diese Angelegenheit weitaus schwieriger, als sie sein müsste.«
Viper schnaubte abfällig. »Ich bin doch wohl kaum derjenige, der sie erschwert, Styx. Ich war vollkommen zufrieden damit, mich friedlich mit Shay in meinem Versteck aufzuhalten, ohne einer Menschenseele etwas zuleide zu tun.
Du bist derjenige, der mich in diesen Schlamassel hineinge-zogen hat.«
Die Kälte um Styx wurde spürbarer. »Der Anasso hat gesprochen. Das ist alles, was zählt.«
Wohl kaum.
Viper rutschte ungeduldig auf seinem Sitz hin und her und unterdrückte einen Fluch, als das Silber sich in sein Fleisch grub. Der Schmerz erreichte eine Stärke, die es ihm allmählich unmöglich machte, ihn zu ignorieren.
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»Habt ihr den Troll gefangen, der die Macht über Shays Fluch besitzt?«
»Nein, es ist ihm gelungen, uns zu entkommen.«
Viper runzelte die Stirn. Styx würde ihm ausweichend antworten oder sich einfach weigern zu antworten, aber er würde nicht lügen. Wo zum Teufel war also Evor?
Viper bemühte sich, sich einen Reim auf die vergangenen Tage zu machen. Alles, was er wusste, war, dass es der Anasso gewesen war, der von Anfang an Shay in die Finger hatte bekommen wollen. Und das war überhaupt nichts wert.
»Was wollt ihr von Shay? Ihr Blut?«
Styx drehte sich am und blickte aus dem Fenster. »Ihr Blut bedeutet Leben.«
Ein plötzliches Kältegefühl überkam Viper. »Leben? Leben für wen?«
»Das reicht, Viper.« Endlich wandte sich Styx wieder zu ihm um. Seine Miene war grimmig. »Ich habe alles gesagt, was ich sagen wollte.«
Die Entschlossenheit in seiner Stimme war unverkennbar, und Viper schluckte seine Enttäuschung hinunter. Im Moment befand er sich nicht in der Position, Forderungen zu stellen oder seinen Willen durchzusetzen.
Er vertraute jedoch darauf, dass sich das ändern würde.
Und wenn es sich änderte ... nun, dann würde er bekommen, was ihm zustand.
Da er nun gezwungen war, seine Taktik zu ändern, wandte er seine Aufmerksamkeit dem kurzen Aufflackern von Schwäche zu, das er zuvor bemerkt hatte.
»Ich habe nie verstanden, aus welchem Grunde du dem Anasso die Treue schwörst«, sagte er mit lässiger Stimme, als wolle er sich nur die Zeit vertreiben. »Du warst stets so ausgesprochen freiheitsliebend.«
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Styx zuckte die Achseln. »Als die Jahre und Jahrhunderte vergingen, entdeckte ich, dass mich meine bloße Existenz nicht befriedigte.«
»Es war kaum eine bloße Existenz«, hob Viper hervor. »Du warst nicht nur ein gefürchteter Krieger, sondern einst auch der Chef, der den größten Vampirclan um sich scharte. Das war eine Großtat, um die dich viele beneideten.«
In den dunklen Augen blitzte plötzlich Ärger auf.
Albernerweise stellte Viper fest, dass ihn diese seltene Ge-fühlsbezeugung freute. Das bewies, dass etwas von dem Styx, den er gekannt und geliebt hatte, noch immer existierte.
»O ja, ich wurde so sehr beneidet, dass jeder Dummkopf mit dem Traum von Ruhm auf meiner Türschwelle auftauchte, um mich zum Kampf herauszufordern«, entgegnete Styx mit einem Anflug von Bitterkeit in der Stimme. »Es verging kaum ein Jahr, in dem ich nicht zum Kampf gezwungen gewesen wäre.«
»Das ist der Preis der Führerschaft«, erwiderte Viper. »Es war nie so gedacht, dass es einfach sein sollte.«
»Ich scheue einen schweren Weg nicht, sondern heiße ihn im Gegenteil willkommen. Aber ich wünsche mir nicht länger einen blutigen Weg. Ich hatte es satt, meine Brüder zu töten.«
Viper verspürte widerstrebend, wie Mitgefühl in ihm aufstieg. Er verstand besser als sonst jemand den Schmerz, den man empfand, wenn Blut an den eigenen Händen klebte. Eine ganze Menge Blut. Doch Styx war einst ein Außenseiter wie er
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