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selbst gewesen. Ein Vampir ohne Clan und freie Beute, bis er stark genug geworden war, sich zu wahren. Wie konnte er sich nun wieder der Gnade eines anderen ausliefern?
»Das geht mir ähnlich. Doch das erklärt noch immer 338
nicht, weshalb du dich entschieden hast, einer anderen Person die Treue zu schwören.«
»Wir alle dienen dem Anasso. Er ist unser aller Meister.«
Viper schüttelte den Kopf. »Nicht als seine persönliche Wache. Du hast deine Seele verkauft.«
»Nein.« Das Wort war kaum ein Flüstern. »Ich versuche sie zurückzugewinnen.«
»Deine Seele?«, fragte Viper stirnrunzelnd.
»Nenne es, wie du willst.« Styx gestikulierte ungeduldig mit der Hand. »Den Sinn des Lebens. Eine Bedeutung, ein Ziel.«
Viper betrachtete seinen Freund eine ganze Weile. Das Letzte, was er erwartet hätte, war eine Debatte über Philoso-phie, während er gefangen gehalten wurde. Natürlich hätte es nicht so verwunderlich sein sollen. Immerhin handelte es sich hier um Styx.
»Du klingst bemerkenswert menschlich«, meinte er schließlich gedehnt. »Sind die Menschen nicht diejenigen, die stets nach einem höheren Schicksal streben?«
»Haben sie etwa unrecht?«, konterte Styx. »Sollten wir nicht alle darum ringen, ein Vermächtnis zu schaffen, das unsere Brüder bereichern wird?«
Viper warf einen anzüglichen Blick auf die silbernen Handfesseln, die sich immer tiefer in sein Fleisch einbrann-ten.
»Und du glaubst, dass du das tust? Unsere Brüder bereichern?«
Der ältere Vampir besaß den Anstand, das Gesicht zu ver-zerren, obgleich seine Stimme ruhig blieb.
»Du scheinst zu vergessen, dass es der Anasso war, der den Kampf anführte, als es darum ging, unsere Clans zu zivilisieren. Es war seine Stärke, die es uns erlaubte, jene zu besiegen, 339
deren Wunsch es war, die uralten Wege beizubehalten. Und es ist seine Anwesenheit, die dafür sorgt, dass die Anarchie nicht zurückkehrt. Ich hätte gedacht, dass gerade du das für ein würdiges Ziel halten würdest.«
Viper hatte die Vergangenheit nicht vergessen. Weder die grausamen, blutigen Schlachten, die sie ausgetragen hatten, noch die Tatsache, dass es der Anasso gewesen war, der den Angriff befehligt hatte. Zweifellos würden sie ohne seine Bemühungen noch immer völlig unkultiviert leben. Und er hatte auch nicht vergessen, dass in diesen Kriegen jene Alten gestorben waren, die über dem Anasso gestanden hatten, sodass er nun der älteste und mächtigste Vampir überhaupt war.
»Und so rechtfertigt das Ziel jedes Mittel, nicht wahr, Styx?«
»Verhöhnst du mich,Viper?«
Vipers Lippen kräuselten sich zu einem ironischen Lä-
cheln. »Nein, tatsächlich verstehe ich es. Ich fand Befriedi-gung als Clanchef, aber wie du sagst, gibt es im Leben mehr als Macht. Erst jetzt habe ich das Ziel in meinem Leben gefunden, nach dem du suchst.«
Styx betrachtete ihn neugierig. »Und was ist es?«
»Shay«, antwortete Viper einfach. »Und gleichgültig, wie unheilvoll deine Vorhersagen auch sein mögen, ich werde tun, was auch immer ich kann, um sie in Sicherheit zu bringen.« Er beugte sich vor und entblößte seine Vampirzähne.
»Ich werde die gesamte Vampirrasse in die Hölle verdammen, wenn es nötig ist.«
Styx umklammerte den winzigen Anhänger mit der Hand.
»Du solltest besser zur Vernunft kommen und nach der Shalott rufen,Viper, sonst erreichst du womöglich genau das.«
Es war nicht weiter überraschend, dass das Gespräch damit ein abruptes Ende fand.
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Die inneren Höhlen wirkten eher wie Gemächer eines mit-telalterlichen Schlosses, als dass sie den Eindruck von klam-men Löchern im Boden gemacht hätten. Die Wände und sogar die Decken waren hinter kostbaren Wandteppichen verborgen, die Fußböden bedeckt von dicken Fellen, und die Finsternis wurde zurückgedrängt von großen Bronzeleuch-tern, von denen jeder Dutzende von flackernden Kerzen hielt.
Es gab auch die Art von schweren, prunkvoll geschnitzten Einrichtungsgegenständen, die in Styx den Wunsch nach einem Streichholz und einem Kanister voll Benzin entstehen ließ. Ganz gleich, welches Gelübde er abgelegt hatte, er war durch und durch ein Krieger, und er verstand die Gefahr, die darin lag, sein Versteck mit dermaßen törichten Dingen vollzustopfen. Diese Gemächer gegen einen Angriff zu verteidigen wäre unmöglich. Es war ebenso wahrscheinlich, dass ein Krieger über eine Ottomane stolperte und sich den Hals brach, wie seinen Gegner zu erstechen.
Jedoch hatte der Anasso
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