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iBoy

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Titel: iBoy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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wie sich ihre Augen weiteten und sich ihr Mund öffnete, und ich sah, wie sich ihre Lippen bewegten, als sie vor sich hin flüsterte:
»iBoy.«
    Diesen Moment wählte ich, um zu gehen.
    Als ich durch die Treppenhaustür trat und die Stufen hinunterzulaufen begann, hörte ich O’Neils ferne Schritte von unten heraufhallen. Er rannte zwar nicht mehr, doch er bewegte sich immer noch ziemlich schnell. Ich ging in meinen Kopf und wählte das Video der letzten paar Minuten, dann beugte ich mich über das Geländer, schaute hinab in die schwindelerregende Tiefe des Treppenschachts und wählte mich in O’Neils Handy ein. Während ich das Video an seine Nummer schickte, rief ich seinen Namen.
    »Hey, Eugene!«
    |127| Als die Schritte aufhörten, hallte meine Stimme dumpf zwischen dem Beton und Eisen des Treppenhauses wider und dann war da ein ferner Klingelton (Fiddys
In Da Club
).
    »Geh dran!«, rief ich.
    Es entstand eine Pause, dann hörte der Klingelton auf. Ich gab O’Neil ein paar Sekunden, um das Video zu öffnen und zu sehen, was es zeigte – wie er vergeblich versuchte, mich niederzustechen, und wie ich ihn am Hals erwischte und fast aus dem Fenster stieß. Danach rief ich wieder nach unten.
    »Hast du’s bekommen?«
    Wieder eine Pause, dann: »Ja   …«
    Seine Stimme war jetzt eine Mischung aus Verwirrung und Besorgnis.
    »Wenn du dich noch ein Mal auch nur in die Nähe von Lucy wagst«, rief ich, »landet das Video auf YouTube. Hast du verstanden?«
    Nichts. Schweigen.
    »Hast du mich
VERSTANDEN
?«, schrie ich.
    »Ja   … ja, ich hab dich verstanden, Verdammte Scheiße, wie   –«
    »Ich stell’s bei YouTube ein und schick es an jeden, den du kennst. An die Crows, die FGH   …
alle
. Ist das klar?«
    »Ja   … aber   –«
    »Keine Fragen. Du hast drei Sekunden, um zu verschwinden, oder ich komm dir hinterher.« Ich begann zu zählen. »Eins   … zwei   …«
    Er fing an zu rennen.
    Ich wartete, bis er ein paar weitere Treppenfluchten hinuntergepoltert war, dann schaltete ich meine iHaut ab und ging zurück nach unten in den dreiundzwanzigsten Stock.

|128| 1100
    Du musst nicht verrückt sein, um ein leuchtendes Kostüm anzuziehen und das Böse zu bekämpfen – aber es hilft.
     
    http://i09.com/​5228906/​Top-1 0-greatest -mentally-ill- superheroes
     
    Gram kam gerade aus dem Badezimmer, als ich die Wohnung betrat.
    »Ich dachte, du wolltest zu Lucy?«, sagte sie. »Ja, war ich   … will ich auch. Ich bin nur   … ich hab was vergessen.«
    Sie sah mich an und wartete auf eine Erklärung, was ich vergessen hatte.
    »Mein Handy«, sagte ich. »Ich hab’s in meinem Zimmer liegen lassen.«
    »Gut«, sagte sie. »Und was ist das an deinen Händen?«
    »Wie?«
    »Du hast rote Farbe an den Händen.«
    Ich schaute auf meine Hände und versuchte, mir schnell irgendwas zu überlegen. »Ach so, ja   … an Lucys Tür waren Graffiti. Weißt du   … wieder so üble Sachen. Hab versucht, sie wegzumachen.«
    |129| Gram seufzte und schüttelte den Kopf. »Wieso können sie das Mädchen nicht in Ruhe lassen? Ich meine, sie hat doch weiß Gott schon genug durchgemacht.«
    Ich zuckte die Schultern. »So läuft das eben.«
    »Ich weiß«, sagte sie und seufzte wieder. »Es ist nur   … weißt du   …«
    »Ja.«
    Sie sah mich an. »Ist es Lucy denn recht, wenn du sie besuchst?«
    »Ja, glaub schon   … ich meine, sie hat zumindest
gesagt
, dass es okay ist. Und es scheint ihr irgendwie auch geholfen zu haben, als ich letztes Mal da war   …« Wieder zuckte ich mit den Schultern. »Keine Ahnung, wie.«
    Gram lächelte. »Sie mag dich, das war schon immer so. Erinnerst du dich, wie sie dich mal gefragt hat, ob du sie heiraten wirst?«
    »Sie
heiraten

    Gram nickte. »Das ist Jahre her, du musst etwa sechs oder sieben gewesen sein   … ihr beiden saßt im Wohnzimmer auf dem Fußboden und habt mit Legosteinen gespielt. Plötzlich hat sie dich angeschaut und gesagt: ›Wirst du mich heiraten, wenn ich älter bin?‹«
    »Echt? Und was hab ich geantwortet?«
    Gram überlegte einen Moment, dann lächelte sie wieder. »Ich glaube, du hast gar nichts gesagt. Wenn ich mich richtig erinnere, hast du bloß angefangen zu weinen.«
    Ich lachte. »Ja, das klingt nach mir. Ich war schon immer ziemlich schlau, was Frauen betrifft.«
     
    Während sich Gram wieder ans Schreiben machte, ging ich in mein Zimmer und tat so, als ob ich nach meinem Handy |130| suchte. Ich fühlte mich immer noch ausgelaugt

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