Icarus
beleuchteten, lärmerfüllten Country & Western-Bar wieder. Es war dort so laut, daß man sich unmöglich unterhalten konnte. Mehrere Tische standen verstreut herum, und an beiden Enden des Raums befand sich je eine Bar. Eine der Theken endete in einer etwas größeren Plattform, die offenbar für diverse Live-Auftritte benutzt wurde. Ein Kellner führte sie zu einem Tisch, nachdem Jack ihm einen weiteren Zehner in die Hand geschoben hatte, und sie setzten sich und bestellten beide Bier. Es dauerte eine Minute, Jack wartete nur darauf, da meinte Dom: »Fällt dir an diesem Laden nichts auf?«
Jack nickte und begann zu lachen.
»Es gibt hier keine einzige verdammte Frau«, stellte Dom fest.
So seltsam Jack es auch fand, er konnte sich nicht beherrschen, das Gelächter platzte einfach aus ihm heraus. Er hatte nicht die geringste Vorstellung, was Kid in diesem Etablissement gesucht haben könnte, und irgendwie fand er es beunruhigend, und er fühlte sich ganz und gar nicht wohl, das mußte er zugeben, aber in seinem ganzen Leben hatte er noch nie einen solchen Gesichtsausdruck gesehen wie den von Dom. Jack hatte nicht mit einer solchen Umgebung gerechnet, ganz bestimmt nicht, er war vermutlich genauso überrascht wie Dom, nur zeigte er es nicht, aber da sie nun schon einmal hier waren, könnten sie auch erledigen, weshalb sie gekommen waren. Er versuchte es Dom zu erklären, wollte sagen: »Wir sind in einer Schwulenbar!«, aber die Musik setzte ein, und es war zu laut, man konnte weder etwas hören noch etwas besprechen. Und dann drang die Stimme des Diskjockeys aus den Lautsprechern:
»Ladies und Gentlemen … und es sind eine ganze Menge Gentlemen hier, nicht wahr? …«
Die Gäste johlten und pfiffen begeistert.
»… das Golden Saddle präsentiert Ihnen, direkt aus Texas … wo alles sooooo groooooß ist …«
Die Menge kreischte jetzt ohrenbetäubend.
»… die reizende … die sinnliche … die skandalumwitterte … Kim!!!!!«
Die Beleuchtung im Saal erlosch, und die Spots über der Plattform am Ende der Bartheke flammten auf. Mittlerweile war Jack nicht mehr so sehr überrascht, er hätte damit rechnen sollen, wie er nun erkannte: Die sexy Stripperin in vollständiger Cowboykluft – Stiefel, Chaps, Weste und Patronengürtel mit zwei Colts – war die Person, die sie suchten. Das war Kim.
Und Kim war keine Frau.
Der Auftritt dauerte etwa zehn Minuten. Kim stolzierte und scharwenzelte herum und zog sich zu dröhnendem Rock ’n’ Roll schließlich bis auf den Patronengurt aus. Immer wieder blickte Jack zu Dom hinüber, nur um sicherzugehen, daß der alte Mann keinen Herzinfarkt erlitt. Als Kim seinen Tanz beendet hatte, stand Jack auf, suchte den Kellner und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Zehn Minuten später saß Kim an ihrem Tisch, diesmal wieder in vollständigem Westernkostüm.
Jack gab sich alle Mühe, einleuchtend zu erklären, was sie in den Club geführt hatte und wonach sie suchten. Kim gab sich mit ihrer Erklärung zufrieden, ohne nach weiteren Einzelheiten zu fragen. Sie erfuhren, daß Kid und Kim im gleichen Kurs Betriebswirtschaft studiert hatten und Kim gelegentlich ebenfalls als Trainer arbeitete. Er erklärte, er konzentriere sich nicht so auf Gewichte wie Kid, er wäre mehr auf Stretching und Yoga spezialisiert. Irgendwann warf er einen Blick auf Dom und meinte dann zu Jack: »Ihr Freund sieht aus, als stünde er unter einem schweren Schock.« Sein starker Brooklyn-Akzent klang ziemlich daneben, irgendwie paßte er nicht zu der Cowboykluft, aber Jack dachte bei sich, daß seine Kluft – und sein Heimatstaat – wahrscheinlich jeden Abend wechselten, je nach Laune des Inhabers vom Golden Saddle. »Nun ja«, meinte Jack, »Kid hat uns nie erzählt, daß er so was tut.«
»Er hat es auch seit einer ganzen Weile nicht mehr getan. Und davor auch nicht sehr oft. Nur wenn er dringend Geld brauchte. Es ist kein schlechter Job. Hundert pro Abend plus Trinkgelder, und dabei kommt eine Menge zusammen. Vor allem für Kid. Der Junge hatte einen Körper, zum Sterben schön, und er konnte seinen Hintern bewegen.« Er lächelte Dom herausfordernd an.
»Ich suche einige von Kids Kunden«, fuhr Jack fort. »Die Leute, mit denen er trainiert hat.«
»Da kann ich Ihnen nicht helfen. In diesem Gewerbe tauschen wir keine Namen aus. Die Konkurrenz ist zu mörderisch. Sie würden nicht glauben, wie viele meiner sogenannten Freunde versuchen, mir Kunden zu stehlen.« Er verzog schmollend den Mund. »Von
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