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Icarus

Icarus

Titel: Icarus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Russell Andrews
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Houston, damit er mit einem Sprungwurf von der Seitenlinie den Korb traf. Sie verstand es vollkommen. Und dennoch …
    Und dennoch wollte sie ihn heute in ihrem Bett haben. Sie wollte den Mann. Nicht den Jungen.
    Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Spiegel zu. Tätschelte ihren Hals und ihr Kinn. Strich über die Haut ihres Gesichts und straffte und glättete sie.
    Mein Gott, Männer hatten es ja so gut. Je älter sie wurden, desto besser sahen sie aus, jedenfalls viele von ihnen. Graumeliertes Haar war vornehm, nicht matronenhaft. Ihre Körper blieben fest und flach, machten nicht das durch, was man gemeinhin als kritische Jahre bezeichnete. Zerfurchte Haut verlieh ihnen etwas Verwegenes. Junge Frau-en wurden von ihnen angezogen. Mehr als das, sie wollten sie sogar heiraten. Kein Wunder, daß so viele von ihnen ihre langjährigen Partnerinnen verließen. Was bedeuteten schon Vertrautheit und Harmonie, wer interessierte sich für eine gemeinsame persönliche Geschichte, wenn man weiterziehen konnte zu straffer Haut und festen, aufrechten Brüsten? Es war nicht fair. Es war, verdammt noch mal, nicht fair.
    Sie ließ die Haut um ihre Augen los und spürte, wie die Spannung nachließ. Sie schloß die Augen und machte einen tiefen Atemzug. Dann einen zweiten …
    Sie hatte sich nie zuvor für eitel gehalten.
    Natürlich gab es auch anderes, wofür sie sich niemals gehalten hatte. Heimlichtuerisch zum Beispiel. Oder doppelzüngig. Unsicher. Ängstlich.
    Gefährlich.
    Aber sie war all das, nicht wahr? Vielleicht war sie es früher nicht gewesen. Aber jetzt war sie es.
    Zeit war eine erstaunliche Sache, entschied sie. Sie änderte nichts am Aussehen irgendeiner Sache. Sie veränderte die Sache selbst.
    Caroline atmete aus, wobei ihr Atem das Glas auf einer kleinen Fläche beschlug. Sie betätigte den Schalter und löschte den Ring aus Glühbirnen. Sie erhob sich, zog langsam sämtliche Kleidung aus und stellte sich nackt vor den mannshohen Spiegel in ihrem Badezimmer. Sie war immer noch gut gebaut. Das war sie wirklich. Sie wog genausoviel wie damals, als sie Jack kennenlernte. Ihre Haltung war perfekt, aufrecht und stark. Ihre Brüste waren klein, sie waren immer klein gewesen, und ja, sie waren nicht mehr, was sie mal gewesen waren, aber waren noch immer schön. Sie wußte, daß sie für eine 42jährige Frau mit einer ganzen Restaurantkette und dem Streß, der mit der Neueröffnung eines weiteren Restaurants einherging, noch immer verdammt gut aussah.
    Sie sah nur nicht mehr jung aus.
    Caroline schlüpfte in ihren Bademantel und wollte nicht ins Schlafzimmer zurückkehren. Statt dessen tappte sie barfuß ins Arbeitszimmer, ließ den Blick über die Bücherregale gleiten, bis sie einen alten Kriminalroman fand, von dem sie annahm, daß sie ihn früher schon mal gelesen hatte. Genau wußte sie es nicht. Sie wollte sich beschäftigen, die Seiten überfliegen, ohne viel nachdenken zu müssen, bis die Sonne aufging und der neue Tag begann.
    Entscheidungen mußten getroffen werden, Entscheidungen, die sie nicht länger hinausschieben konnte. Das wußte sie. Einige hatte sie bereits getroffen. Sie hoffte, daß es die richtigen waren. Was den Rest betraf, so wußte sie nicht, wofür sie sich oder was sie entscheiden würde. Sie wußte nur, daß sie jetzt Geheimnisse hatte. Geheimnisse, die sie niemals mit irgend jemandem teilen könnte. Geheimnisse, die, ganz gleich, wie sie sich entwickelten, ihr Leben und das Leben derer, die sie liebte, verändern würden.
    Wer immer behauptete, daß sich mit zunehmendem Alter auch mehr Weisheit einstellte, redete totalen Unfug, stellte sie fest. Was mit dem Alter zunahm, waren Zweifel. Und Angst.
    Caroline fragte sich, was wohl passieren würde.
    Aber es war nicht der morgige Tag, vor dem sie Angst hatte. Es war der Tag danach und der darauffolgende und alle weiteren Tage bis in die ferne Zukunft.

Acht
    Okay, bleib ganz ruhig. Kein Grund, nervös zu werden. Nichts hatte sich verändert.
    Der Plan war fertig und angelaufen, und es war ein guter Plan.
    Er war für die Eröffnung runtergekommen. Er war den ganzen Weg gefahren. Er konnte nicht fernbleiben, aber damit war zu rechnen gewesen. Der Plan ließ das zu. Bisher gab es keine überraschenden Wendungen.
    Es gab drei Stadien. Das durfte nicht vergessen werden. Die drei entscheidenden Stadien. Vorher, während und nachher. Jedes einzelne war einfach. Bleib ganz ruhig.
    Mehr war nicht nötig. Ruhig bleiben und sich an den Plan

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