Icarus
ungern«, sagte sie, »aber ich will einkaufen gehen. Haben Sie etwas Besonderes, das ich Ihnen mitbringen soll?« wollte sie von Jack wissen. Seine einzige Antwort war ein schwaches Handzeichen. Er war nur dankbar, daß sie ihn gerettet und ihm ein paar Sekunden Pause von der Tortur verschafft hatte, durch die Kid ihn jagte.
»Mattie«, sagte Kid. »Wie kommt’s, daß Sie seit dem Tag, an dem ich Sie kennengelernt habe, keinen Tag älter geworden sind?«
»Machen Sie sich nicht über mich lustig«, meinte sie in drohendem Ton, lächelte aber gleichzeitig. Sie konnte Kid einfach nicht böse sein. Sie hatte Jack schon mehrmals gesagt, wie sehr sie sich darüber freute, daß er zurückgekommen war. Um wieviel lebendiger die Atmosphäre seitdem im Apartment war.
»Und Sie sind sogar noch schöner geworden«, sagte Kid zu ihr. »Was ist Ihr Geheimnis? Ein Pakt mit dem Teufel?«
»Ich gebe Ihnen gleich den Teufel«, sagte sie, aber ihr Lächeln wurde noch breiter. »Das ist Ihre letzte Gelegenheit, mir zu verraten, was Sie wollen.«
»Egal, was Sie besorgen, mir ist es recht«, erwiderte Jack.
Sie wandte sich an Kid und sagte streng: »Und Sie verdienen nichts Besonderes …« Sie drohte ihm jetzt mit dem Finger. »… aber ich werde darüber nachdenken , ob ich Ihnen etwas kaufen soll, wenn Sie mir einen Tip geben, was Ihnen besonders gefällt. Ich will Ihnen nichts versprechen, aber ich werde darüber nachdenken.«
»Ein Wochenende mit Ihnen auf einer romantischen Insel, mehr wünsche ich mir nicht.«
Mattie schlug mit der flachen Hand nach ihm wie nach einem lästigen Insekt. »Sie sind schlimm«, sagte sie, aber ihr Schritt wirkte federnder, als sie zur Tür ging.
»Sie mag dich«, sagte Jack, als Mattie hinausgegangen war.
»Sie hat einen guten Geschmack.«
»Den hat sie. Mattie ist sehr wählerisch, wenn es darum geht, wen sie ernst nimmt und wen sie mag.«
»Sie war zu mir immer sehr nett. Ich glaube, sie hat mit mir immer Mitleid gehabt. Sie hat sich immer nach meiner Mom erkundigt, um sich zu vergewissern, ob es ihr gut ging. Und sie wollte auch immer mit mir über meinen Dad reden. Ich erinnere mich, wie sie mir einmal erzählte, daß sie, als ihr Dad gestorben war, versucht hat, nicht mehr an ihn zu denken. Sie dachte, auf diese Weise würden die Schmerzen in ihrem Innern abklingen. Aber dann erkannte sie, daß die Schmerzen dadurch noch viel schlimmer wurden. Viel besser war, sich so genau wie möglich zu erinnern.«
»Das ist ein guter Rat. Schwierig zu befolgen, aber gut.«
»Ich glaube, ich finde es viel einfacher zu vergessen.«
»Was versuchst du denn zu vergessen, Kid? Was zum Teufel war so schlimm für dich?«
Kid blickte auf die Hantel auf dem Fußboden. »Man kann es sehen, was?«
»Ich sehe irgend etwas. Aber ich habe keine Ahnung, was genau.«
Kid sagte einige Sekunden lang nichts. Dann, während er sich bückte, um zusätzliche Gewichte anzulegen, wandte er sich an Jack und fragte: »Vermißt du sie? Ich meine, vermißt du sie ständig?«
»Ja.« Jack staunte, wie schnell er mit dem Wort herausgeplatzt war. Er dachte, er sollte Kid sagen, er solle sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern und ihn, verdammt noch mal, in Ruhe lassen. Aber plötzlich stellte er fest, daß er über Caroline reden wollte . Vielleicht weil er Matties Rat gehört hatte. Aber in seinem Inneren brandeten Erinnerungen hoch, und er verspürte den unwiderstehlichen Drang, sie auszusprechen. »Es ist nahezu unfaßbar, wie sehr ich sie vermisse.«
»Ich vermisse sie auch.«
Jack schluckte krampfhaft. »Ich glaube, jeder, der sie jemals kennengelernt hat, kann nicht anders, als Caroline zu vermissen.«
Kid nickte zustimmend. »Denkst du, daß du jemals … es klingt so dämlich, wenn ich es ausspreche, so abgedroschen und schnulzenhaft, aber …«
»Ob ich denke, daß ich jemals jemand anderen lieben werde?«
»Ja. Genau das habe ich fragen wollen.«
»Kid, vor ein paar Wochen war ich noch nicht einmal sicher, ob ich meine Wohnung jemals wieder verlassen würde. Ich hatte bisher noch nicht allzuviel Zeit, über ein mögliches zukünftiges Liebesleben nachzudenken.«
»Aber jetzt, wo du weißt, daß du genesen wirst … daß du wieder auf dem Weg in ein normales Leben bist …«
»Moment mal, das weiß ich doch gar nicht. Ich kann ein Gewicht von zehn Pfund hochheben, ohne gleich ohnmächtig zu werden, das ist nicht unbedingt das gleiche, wie wieder völlig normal zu sein.«
»Jack, du weißt es.
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