Ich bin alt und das ist gut so
versuchen, mit meinen Mitmenschen so sanft und liebevoll umzugehen wie nur möglich.
In die angeblich unumgänglichen Machtkämpfe werde ich mich nicht verstricken lassen, sondern unbeirrbar parteiübergreifend arbeiten, gegebenenfalls auch mal gegen die Meinung der grünen Fraktion einem guten Antrag der CSU zustimmen.
Ich behaupte, dass die Grünen ihren neuen zusätzlichen Platz im Landtag immerhin auch mir und meinen jahrzehntelangen Bemühungen um die Verbesserung von Verbraucher-, Tier- und Umweltschutz und dem Einsatz in der Friedensbewegung zu verdanken haben. Denn unter meinen Wählerinnen waren nicht nur Grüne. Schließlich vertrete ich durchaus wertkonservative Inhalte im Sinne von »Hütet und bewahret die Schöpfung«.
Die vor uns liegenden Aufgaben sind zahllos, und das bei einer Zweidrittelmehrheit der CSU: Ausstieg aus der Atomwirtschaft, der Agro-Gentechnik, der Käfighaltung der Legehennen, Verbot von Subventionen für Lebendtransporte und von Tierversuchen, um nur einige zu nennen. Zumindest kann ich Sand ins Getriebe streuen. Wenn es mir zu bunt wird, strapaziere ich einfach das Lebensmotto meines Filmpartners Klaus Kinski: Wer mich beleidigt, bestimme ich. Ich werde also tatsächlich fünf Jahre lang Abgeordnete der Grünen im Bayerischen Landtag sein. Ich, die ich nie »in die Politik« wollte!
6. Oktober 2003
Beginn der 15. Legislaturperiode
Als Älteste im Landtag und damit Alterspräsidentin hatte ich die Legislaturperiode zu eröffnen.
Eine grüne Quereinsteigerin eröffnet den Bayerischen Landtag!
Die Alterspräsidentin hat nichts weiter zu tun, als die Eröffnungsrede zu halten. Allerdings: Sollten sowohl der Landtagspräsident wie seine beiden Stellvertreter alle gleichzeitig von einem tückischen Virus dahingerafft werden, zum Beispiel von der Vogelgrippe – dann dürfte ich den Landtag leiten!
Hat mir der Landtagsbibliothekar aus dem Gesetzbuch vorgelesen.
Ich kam mir vor wie in einer Filmrolle, war konzentriert, aber überhaupt nicht nervös, als ich da hoch oben unter dem Blitzlichtgewitter der Fotografen und Fernsehteams thronte und entsprechend den Anweisungen der Staatssekretäre mit meiner Glocke bimmelte, dem direkt unter mir sitzenden Ministerpräsidenten Stoiber vergnügt zulächelte und nach vollbrachtem Tun die Hand schüttelte.
Meine Rede wurde allgemein gelobt. Die Medien berichteten, ich hätte das alles so souverän absolviert, als hätte ich mein Leben lang nichts anderes getan.
Die 30 Jahre Schauspielerei scheinen sich bezahlt zu machen.
Der Bayerische Landtag ist mit 48 neuen Frauen ein Stück weiblicher geworden.
Das kann dem Parlament nur guttun.
Ein Jahr später
Das erste halbe Jahr war mörderisch. Kaum Zeit zu schlafen, kaum Zeit zu essen. Um eine bessere Lebensqualität für andere zu erreichen, bin ich angetreten – und die eigene bleibt auf der Strecke? Nicht gut.
Man hatte mir ja prophezeit: Entweder du wirst verbittert in diesem Betrieb, weil du ständig scheiterst, oder du wirst ein Ellenbogenmensch wie alle anderen. Beides konnte ich vermeiden. Oder: Du musst als Grüne einen guten Antrag 15-mal stellen, 15-mal wird er von der übermächtigen CSU abgelehnt, schließlich aber als eigener Antrag eingebracht und verabschiedet.
Stimmt. Und ist mir bereits passiert, jedenfalls die Ablehnung: nämlich beim Antrag für eine vollwertige biologische Ernährung der Schulkinder. Eine CSU-Abgeordnete anschließend zu mir: Sie haben ja recht, aber ich kann doch nicht dem Antrag einer Grünen zustimmen!
Ich schlug darauf im Plenum vor: Meine Damen und Herren von der CSU, dann frisieren Sie doch meinen Antrag um und geben Sie ihn als Ihren eigenen aus!
Der Parteikonformismus ist das eigentlich Frustrierende an diesem Job. Ich werde mich gegebenenfalls darüber hinwegsetzen, von Anfang an bemüht, parteiübergreifend zu arbeiten.
Macht oder Ohnmacht einer grünen Abgeordneten im Bayerischen Landtag – von Macht kann eigentlich keine Rede sein.
Zahllose Veranstaltungen zu den Themen Ernährung, Tier- und Umweltschutz und da speziell zur Gentechnik habe ich in den vergangenen Monaten durchgeführt, Anträge und Anfragen ins Parlament eingebracht. Ob es jedoch um den Ausstieg aus der Atomwirtschaft, aus der Agro-Gentechnik, der Käfighaltung der Hühner, den Tierversuchen, um das Verbot von Subventionen für Lebendtransporte von Tieren geht – von den sogenannten christlichen Parteien, von den unionsgeführten Ländern ist kaum Unterstützung zu
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