Ich bin dann mal alt
werden, erweisen sich meistens als Schwindel; es wird Natur vorgegaukelt, obwohl davon nichts darin enthalten ist. Diese Pseudo-Natur hat keine Kraft, deshalb sehnen sich immer mehr Menschen nach Echtem: nach »Lebens«-Mitteln,
die vor allem den im Alter schwächer werdenden Leib stärken.
Mit und aus der Natur zu leben, ist offenbar ein wachsendes Bedürfnis. Statt Fertiggerichte oder exotische Speisen zu essen, wenden sich auch immer mehr ältere Menschen schmackhaften und natürlichen Nahrungsmitteln zu, kochen nach heimischen Rezepten und mit Zutaten aus der Region. Natürlich gibt es nach wie vor Fast-Food, Pizza oder Schickimicki-Restaurants mit Sushi und Hummer, aber der Trend geht zur regionalen Küche mit bunten Salaten aus dem Garten, Fleisch und Eiern direkt vom Bauernhof, Pilzen und Kräutern aus den heimischen Wäldern. Fisch, Fleisch, Obst und Gemüse aus regionalen Betrieben stammen aus einer glaubwürdigen Nahrungskette und brauchen keine langen, teuren und für die Tiere oft quälenden Transporte durch die halbe Welt, bis sie in unseren Töpfen landen. Sogar auf steifen Stehempfängen und Partys sind neuerdings nicht mehr Krebsschwänze oder thailändische Shrimps die Attraktion, sondern immer öfter deftige Schmalzbrote, die vom Bauernhof nebenan geliefert werden.
Der unmittelbare Zugang zur Natur gibt dem Menschen auch den direkten Zugang zu sich selbst zurück. Selbstverständlich ist die Natur nicht nur ein Paradies, sondern kann auch brutal und grausam sein. Aber trotz aller Katastrophen spüren die Menschen das Gute in der Schöpfung und vertrauen ihrer universalen Ordnung. Daraus erklärt sich auch die zunehmende Rückkehr zu den Urkräften des Lebens, unsere Erfahrungen mit Edelsteinen und Bäumen, mit Erde und Wasser. Immer mehr Menschen entschließen sich zum Wandern, weil sie dabei eine neue Beziehung zur Erde spüren, Wasser wird zunehmend auch als Symbol für Reinigung und Heilung erfahren. Moderne Tourismusbetriebe nutzen längst die spirituellen Eigenschaften der Naturkräfte, um die Sehnsucht der Urlauber nach ursprünglichem Leben zu erfüllen.
Auch im eigenen Garten beachten junge wie alte Menschen mehr und mehr den Rhythmus der Natur. Sie säen, pflanzen und ernten nach dem Mondkalender, pflegen ein eigenes kleines Kräuterbeet und verzichten auf aggressive chemische Spritzmittel gegen »Ungeziefer«. Der achtsame Umgang mit der Natur tut ihnen gut. Wer keinen Garten besitzt, versucht sogar, die Beziehung zur Natur auf dem Balkon oder dem Küchenfenster herzustellen: mit Basilikum und Salbei, mit Zitronenmelisse und Thymian, um stets ein paar frische Kräuter parat zu haben.
Ein anderes Beispiel für die oft unbewusste Rückkehr zur Natur sind die Bäume. Viele Menschen denken über ihre eigene Ähnlichkeit mit der Eiche, der Weide oder Buche nach und versuchen, eine innere Beziehung zum Baum herzustellen – zu seiner mythologischen Bedeutung, zur gewachsenen Form, zur Härte seines Holzes, zu seinen Säften, die oft heilende Substanzen gegen Krankheiten enthalten. Dahinter steht der Wunsch, im Einklang mit der Natur zu leben – nicht ohne sie, schon gar nicht gegen sie. Wahrscheinlich suchen die Menschen in der Natur das Spiegelbild ihrer selbst. Diese unmittelbare Beziehung wirkt gerade im Alter wie Balsam für den Körper und die Seele.
Dazu gehört auch, sich ganz bewusst den Ereignissen der Schöpfung auszusetzen: dem nächtlichen Sternenhimmel, dem Gesang der Vögel, einem Gewitter mit Blitz und Donner, dem prasselnden Regen, dem Tosen der Wellen, die das Meer an die felsige Küste wirft, der Stille auf einer Bank am Waldrand. Im Alter hat der Mensch wahrscheinlich einen besseren Zugang zu solchen Erlebnissen als früher, weil er dank seiner großen Lebenserfahrung Ehrfurcht vor der Schöpfung entwickeln konnte.
Die Ruhebank hinterm Haus oder das Internet
Vor Hans’ Häuschen am Dorfrand stand eine schattige Bank. Da saß der Rentner immer, wenn abends um sechs vom Kirchturm die Glocken herüberläuteten. Er schaute über die Wiesen hinüber zum Wald, freute sich am Gezwitscher der Vögel und dachte an nichts – was gar nicht so leicht ist. Links neben ihm auf der Bank schlief sein Dackel, der manchmal mit seinen vier kurzen Beinen zuckte – wahrscheinlich, weil er im Traum gerade einen Hasen verfolgte –, und rechts neben dem Hans stand in Griffweite ein Zinnkrug mit einer Halben Bier.
Eines Abends kam der Nachbarsohn auf seinem Motorrad angebraust und bremste
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