Ich bin dein Mörder: Thriller (Sam Burke und Klara Swell) (German Edition)
erklären, aber Shirin sah aus wie eine Bohnenstange. Die Welt war furchtbar ungerecht, fand Sam.
»Wenn noch mal ein In-and-out kommt, fährst du raus«, entschied er. Er sog noch einmal an dem Strohhalm. Ein paar Eiswürfel mussten schließlich mittlerweile geschmolzen sein.
»Wir sind da«, beendete Shirin Sams Hoffnungen auf eine zweite Chance und zeigte mit dem Finger aus dem Fenster. Und tatsächlich standen die ersten Prostituierten im Licht der Straßenlaternen. In diesem Moment sahen sie, was Tom gesehen haben musste. Zumindest in etwa. Was genau der Grund für ihren Ausflug an die Westküste war. Sam wollte versuchen, Tom zu ergründen. »Versucht nicht, euch in ihn hineinzuversetzen, wenn ihr einen Psychopathen jagt. Denkt mit den niedersten Instinkten.« Das sagte er seinen Studenten. Und es stimmte. Sam bedeutete Bennett, langsamer zu fahren, und versetzte sich zwanzig Jahre zurück.
Es regnete in dieser Nacht in San Diego. Sie trug Cowboystiefel und eine kurze Jeans. Es war zu kalt für San Diego. Hier regnete es fast nie. Er hatte Handschuhe angezogen, weil er wusste, was passieren würde. Er schwitzte in den Handschuhen. Er hatte sich nicht mit Kommilitoninnen eingelassen, weil er sich seiner Triebe bewusst war. Sie war die Erste, seine Initiation als Mörder, schoss es Sam durch den Kopf. Es war keine leere Behauptung, dass er ihm alles erzählen wollte. Und sie war ein wichtiger Bestandteil seiner Entwicklung. Sie kam direkt nach Betty. Die Erste, die kein Totschlag im Affekt gewesen war. Sam betrachtete die Prostituierten und schluckte. Sein Mund fühlte sich staubtrocken an. Er spürte jetzt Toms Erregung. Den Drang, es noch einmal zu erleben. Noch einmal eine zu würgen, bis er beobachten konnte, wie das Leben aus ihr wich.
»Shirin«, fragte Sam, ohne den Blick von den Frauen am Straßenrand zu wenden. Sie hatte Kopien aller vier Briefe auf dem Schoß liegen. »Gibt es irgendwo einen Hinweis auf Drogenkonsum bei dem Mord hier in San Diego?« Shirin blätterte, bis sie die entsprechende Stelle gefunden hatte. »Nein, Sam. Nichts.« Sam hatte die Briefe fast wörtlich im Kopf, aber seinen Verstand brauchte er in diesem Moment für etwas anderes. Seine Instinkte fraßen alle Fakten. Du hast aufgehört, Crack zu rauchen. Du triffst dich nicht mit Frauen aus deinem sozialen Umfeld. Und sie sagt, du siehst aus wie einer, der es nicht nötig hat, sich eine Frau zu kaufen.
»Halt an, Bennett«, forderte Sam ihn auf.
»Was, hier?«
»Ja, hier. Irgendwo. Bei der Nächsten.«
Bennett lenkte den Wagen auf den Bordstein, und Sam riss die Tür auf. Sie war wasserstoffblond, braun gebrannt und trug nichts weiter als eine rosafarbene Leggins und ein schlichtes Top. Sie sah eher aus wie ein Strandgirl aus Santa Monica. Bis auf ihr Gesicht, das von tiefen Furchen durchzogen war. Sie hatte es nicht geschafft, von dem Stoff loszukommen, den sie nahm. Sam verlangsamte seine Schritte. Er wollte sie nicht verschrecken, denn er wusste, dass er aussah wie ein Cop. Er brauchte fünf Minuten, bis sie ihm glaubte, dass er sie nicht verhaften wollte, sondern ihr nur eine einzige Frage stellen wollte.
»Würden Sie einen Kunden bezüglich seines Aussehens anlügen? Würden Sie ihm sagen, dass er viel zu gut aussehe, als dass er dafür bezahlen müsste?«
»Wenn er dafür bezahlt«, sagte sie und zuckte gleichgültig mit den Schultern. Ihr Atem roch nach billigem Schnaps.
»So habe ich es nicht gemeint«, versuchte es Sam noch einmal. »Ich meine, ungefragt. Wie als Kompliment.«
Sie schüttelte den Kopf: »Die meisten wollen Sachen hören wie ›Du hast aber ein großes Teil‹. Kaum einer denkt, dass er wirklich gut genug aussieht. Was denkst du, wo du hier bist: im Edelpuff, oder was? Hierher kommt keiner, bei dem die Weiber Schlange stehen.«
»Das hatte ich mir gedacht.« Sam pulte einen Fünfzig-Dollar-Schein aus der Hosentasche und drückte ihn ihr in die Hand.
Zurück im Auto, fragte Shirin spöttisch nach seinem Ermittlungserfolg, aber Sam winkte geistesabwesend ab.
»Habt ihr die Akte von dem Mordfall von damals?«
»Klar«, sagte Shirin und reichte einen Schwarz-Weiß-Ausdruck nach vorne.
»Dann fahr uns jetzt hin«, verlangte Sam.
Seufzend gab Bennett Gas, und der Wagen rumpelte über den Bordstein zurück auf die Fahrbahn.
Sam blätterte in der alten Akte vom SDPD . Nach seinen Vorgaben hatte Shirin in den infrage kommenden Jahren nach einem Mordfall gesucht, auf den die ihnen bekannten
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