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Ich bin ein Genie und unsagbar böse

Titel: Ich bin ein Genie und unsagbar böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josh Lieb
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inne, weil er etwas Unerwartetes erblickt hat. Sein Gesicht erstarrt. Er sieht plötzlich verwirrt und sehr, sehr müde aus.
    Er tut mir leid. Eigentlich wäre das Pinckneys Job gewesen, und es war Pinckneys Rede, die er gehalten hat. Doch Pinckney hat in letzter Minute abgesagt, Hruska das Manuskript in die Hand gedrückt und sich danach in seinem Büro eingeschlossen. Dort hat er die letzten drei Stunden mit einer dreißig Jahre alten Plastikfigur gespielt, die der Motivator ihm an diesem Morgen persönlich vorbeigebracht hat.
    Eine Raketen abschießende Boba-Fett-Actionfigur.
    Hustend stößt Hruska den nächsten Satz aus: »Ebenfalls aus Ms. Sokolovs Klasse: Oli… Oliver Watson.«
    Der ganze Raum hält die Luft an. Randy Sparks verschluckt sich an dem Fingernagel, auf dem er gerade herumkaut. Mit unbewegter Miene, »’tschuldigung«
murmelnd, schiebe ich mich an den Leuten vorbei und latsche in vollkommener Stille den halben Gang hinunter.
    Eine perfekte, wundervolle Stille.
    Dann explodiert die Welt plötzlich in einem ohrenbetäubenden Schreien, Johlen, Grölen, Blöken und Trampeln meiner einfältigen Mitschüler. So was Lustiges haben sie noch nie erlebt. Ihre Ausgelassenheit bringt die Aula ins Wanken.
    Tatiana, die ungekrönte Königin widersprüchlicher Botschaften, lächelt mich warmherzig an und macht eine beleidigende Geste, als ich an ihr vorbeistapfe.
    Als ich die Bühne erklimme, starren Liz und Jack mich ungläubig an. Hruska wirft mir einen besorgten Blick zu. »Oliver«, flüstert er, »was soll das bedeuten?«
    »Ich will Klassensprecher werden.«
    Er hebt die Augenbrauen, als wolle er sagen: Also auf meinem Mist ist das nicht gewachsen! Dann spricht er wieder in das Mikrofon: »Ich bitte um Ruhe! Ich bitte um Ruhe! Bitte setzt euch wieder hin!«
    Erneutes Grölen, Rufen, Lachen. Die Vibrationen sind so stark, dass mein Blick verschwimmt - die Luft flimmert wie über einem Holzkohlegrill.
    »Darf ich nochmals um Ruhe …«
    Ein Rufer aus der ersten Reihe: »Was will Specki denn da oben? Die anderen Kandidaten auffressen?«
    Das bringt das Fass für Hruska zum Überlaufen. Er zerknüllt das Redemanuskript, wirft es nach einem sommersprossigen Mädchen, das sich um die Verwaltung der Klassenkasse bewirbt (und gackert wie eine Hyäne), und brüllt mit der ganzen Kraft seiner faltigen Lungen: »Okay, ihr Beutelratten! Haltet den Mund und macht, dass ihr rauskommt!«

    Es dauert eine halbe Stunde, bis sich die Aula vollständig geleert hat.
    Später am Nachmittag, im Sozialkundeunterricht bei Ms. Magoffin, sitzen wir im Kreis und diskutieren über die Nachricht des Tages: Ein böser afrikanischer Diktator ist durch einen demokratischen Aufruhr gestürzt worden. Der Diktator hat Hals über Kopf die Flucht ergriffen und seine wertvollsten Besitzgegenstände - und Spielzeuge - zurückgelassen.
    Jordie Moscowitz hebt die Hand und meckert: »Was hat das ganze afrikanische Zeug denn mit uns zu tun?«
    In Jordies Fall nicht viel. Doch ich bin jetzt nur noch die viertreichste Person der Welt. Revolutionen sind ganz schön teuer.

Kapitel 11
    Ein kleiner Diskurs über das Böse
    »Was ist das Böse?«, fragst du.
    Worauf ich antworte: »Wer bist du? Friedrich Nietzsche?«
    Worauf du entgegnest: »Hä? Wer?«
    Dann stecke ich dich zurück in deinen Käfig.
    Ich gebe freimütig zu, dass ich böse bin. Jedenfalls gebe ich es freimütig zu, wenn ich allein bin und mich niemand hören kann. Das heißt nicht, dass ich kleine Kätzchen quäle oder ganze Kontinente von der Landkarte tilgen will - das ist Irrsinn, keine Bosheit. Und Irrsinn ist das, was wir Dummheit nennen, wenn es keinen Sinn ergibt.
    Ich bin böse, weil es mich nicht interessiert, was das Beste für die Welt ist. Mich interessiert nur, was das Beste für mich ist. Ich habe keinen besonderen Respekt vor dieser Erde und den zweibeinigen Parasiten, die sie befallen haben.
    Ich vermute, dass es mehr böse Menschen gibt, als diese zugeben würden. Sie können es nur nicht besonders gut ausleben. Ich habe Glück, dass ich ein Genie bin und tun und lassen kann, was ich will. Und
was ich will - und dies macht mich böser als böse -, ist, den Bewohnern dieses Planeten meinen Willen aufzuzwingen . Ich will Macht und Kontrolle. Ich will, dass alles nach meiner Pfeife tanzt, jederzeit, überall. 47
    Womit ich mich in guter Gesellschaft befinde: Napoleon, Julius Cäsar … Allerdings auch in Gesellschaft von ein paar echt üblen Typen: Idi Amin, Stalin …

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