Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)
aber wachte immer noch nicht auf und machte keine Regungen.
Okay, ich hatte jetzt Gewicht und machte Notiz. Im Kopf ich rechnete Länge vom Strick und Pipapo. Trotzdem konnte ich nicht einfach gehen und Mädchen liegen lassen. Ich hatte ja Fragen für sie, aber sie schlief wie Murmelbär.
Wer ist nächster Verwandter?, musste ich Gefangenen fragen. Wer kommt sie abholen, wenn sie tot ist? Oder was sagt sie, was sollen wir mit ihr machen, beerdigen, verbrennen und so weiter? Ich konnte ein bisschen auf verschiedene Religionen berücksichtigen.
All das musste ich kleines Mädchen fragen, aber wie fragen, ohne sie zu wecken? Das war in meiner Denkblase, als ich runterguckte und sah, sie blinzelte mich an mit großen, ruhigen Augen.
»Hallo, kleine Madam!«, ich sagte zu ihr und lächelte.
Wieder guckte sie mich an, als wüsste sie nicht, was soll mein Lächelmund.
Jetzt war ich kleines bisschen ängstlich. Wie sollte ich erklären? »Weißt du, kleine Madam«, ich fing an, »normalerweise im Leben man sagt sich, gut, eigentlich müsste ich um Nötigkeiten und nüchterne Sachen für Letzte-Vorhang-Tag kümmern, aber kann man schieben und schieben. Man weiß, eines Tages ist Schluss aus Ende, aber steht kein Termin im Kalender, also denkt man, es kommt immer ein neuer Tag und noch ein neuer Tag, obwohl, wer weiß, vielleicht ist gleich nächste Minute Ende. Hier im Todestrakt ist anders. Datum und Uhrzeit steht fest, deshalb nicht vielleicht irgendwann, sondern jetzt sofort. So ist auch bei dir.«
Ich wusste nicht, versteht sie überhaupt ein Wort?
»Okay, klipp und klar: Hast du eine Mami? Hast du Tantchen? Die kommen dich holen, wenn du tot bist?« Aber ich wusste schon, es gibt keine fröhliche Antwort. Hätte dieses Mädchen irgendeinen freundlichen Kümmermensch gehabt, wäre er schon da gewesen. Deshalb wunderte mich nicht, als Gesicht von Mädchen durcheinanderpurzelte, kaum dass ich Frage gestellt hatte.
»Oh, nein-nein-nein, kleine Madam.« Ich war nicht gewöhnt an so viele Gefühligkeiten in ihrem Gesicht. »Tut mir sehr leid. Aber ich kann nicht aufhalten und du auch nicht, stimmt’s? Warum versuchen wir dann nicht mit Fröhlichsein?« Aber die Augentränen rollten schon.
In meinem Beruf ich bin Profi. Wenn Tod rückt nahe, Menschen werden traurig, so sind sie. Ich bin der starke Fels und kümmere sie. Kleines Mädchen machte mich traurig, deshalb beugte ich zu ihr runter und hob sie hoch.
Ich setzte ihren kleinen Popo auf mein Knie und streichelte sie tröstig, da drehte sie sich zu mir und guckte mein Gesicht. Sie guckte zu mir hoch, als ob sie etwas weiß, was ich nicht weiß, und in diesem Moment ich merkte: Diese Kleine ist nicht so klein, wie sie aussieht.
So ein komisches Gefühl! Ich fragte mich, wie hat dieses Mädchen vor Todestrakt im Bezirksgefängnis überlebt? Wie hat sie durchgeschlagen unter so vielen älteren Gefangenen, und mit den Wärtern vom Bezirksgefängnis, den schrecklichen, ungebildeten Wärtern mit ihren schlimmen Wörtern? Was hatte sie ihnen zu geben gehabt?
Ihr Blick sagte, sie hat meine Kopfgedanken schon geraten. Wie wenn sie gewöhnt ist an solche Ideen und macht zwar nicht gern, aber klar macht trotzdem. Und sie schien so sehr damit zu rechnen, ihre platten Fischaugen zeigten so wenig Hoffnung, dass ich mich unwohl fühlte in meiner Haut und unter meinen Armen tropfte Wasser.
Vielleicht wäre okay, wenn ich es mache mit ihr?, fragte mich mein Kopf. Wenn Leben geht zum Ende zu, ist sowieso alles Krautrüben. Und man kann sagen, es wäre auch eine Art von Kümmern für sie. Und ganz von allein kommt mir auch der Gedanke, in zwei Tagen stirbt sie und alles Schämdich mit.
Noch dazu ich hatte eine Frau zu Hause und konnte sie nicht haben. Nie wollte sie sich geben! Ich war ein Mann ohne normale Verhältnisse. Aber hier ist weiches Mädchen, kann ich haben und würde sich mir geben. Also warum nicht?
Diesmal nur die Wärterstimme in meinem Kopf und Türeknallen irgendwo weit weg ließ mich merken, welche schlimmen Kopfgedanken ich hatte. Ich schimpfte kleines Mädchen ein paar schmutzige Wörter, schubste sie runter und war ein bisschen ungeherrscht. »Was glaubst du, wer bin ich, dass du mich in so eine Lage bringst?«, ich fragte sie. »Sehe ich aus wie ein Mann mit solchen Gedanken im Kopf? Was, wenn Wärter mich sieht mit Nackedeimädchen auf dem Schoß?«
Ich knallte ihre Tür zu und schloss ab. Dann ging ich in Aufwühlung aus dem Gefängnis und fuhr nach
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