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Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)

Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)

Titel: Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rajesh Parameswaran
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[Agentin S.]. Auch das steht natürlich in meiner Akte. In ihrer übrigens auch.
    Ich kannte [Agentin S.] von der Universität. Damals wusste ich noch nicht, dass sie Agentin ist – falls sie es da überhaupt schon war. Wir waren gut befreundet. Um genau zu sein, stellte sie mich später meinem zukünftigen Ehemann vor, doch das ist eine andere Geschichte. [Agentin S.] und ich wohnten damals beide im [zensiert] und verbrachten viel Zeit zusammen, Freizeit. Sie wusste viel über meine Unzufriedenheiten in meinem früheren Beruf als [zensiert]. Ich habe mich ihr bis zu einem gewissen Grad anvertraut. Sie ist etwas älter als ich. Sehr kultiviert, sehr höflich. Ich schaute zu ihr auf. Sie war eine kluge Ratgeberin und konnte gut zuhören, eine angenehme Gesprächspartnerin.
    [Agentin S.] ist diejenige, die später bedauerlicherweise selbst Zielperson einer Ermittlung wurde – einer internen Ermittlung, könnte man sagen, auch wenn wir natürlich keine eigene Abteilung für so etwas haben. [Agentin S.] hat mir gegenüber eigentlich nie gesagt, dass sie der Behörde angehört. Sie hat es nie ausdrücklich gesagt, erst nachdem ich die Einladung zur Mitarbeit angenommen hatte. Sie war höchst diskret.
    Bis heute ist sie natürlich – soweit ich das wissen kann – die einzige Agentin, deren Namen und Identität mir bekannt sind, die ich berührt und gesehen habe und mit der ich persönlich in Kontakt war. Jegliche Kommunikation mit anderen Agenten oder mit der Behörde selbst, Kommunikation wie diese, fand verdeckt statt. Das heißt, sie wurde via Fernschreiber, per Dokumentendepot oder unter Nutzung verdunkelter Räume im [zensiert] geführt.
    [Agentin S.] fragte mich einfach nur: »Hast du mal darüber nachgedacht, bei der Behörde mitzuarbeiten?« Darauf war ich nicht vorbereitet. Ich dachte, sie wollte mich auf den Arm nehmen.
    Im Nachhinein war es zwar plausibel, dass [S.] eine Agentin gewesen sein könnte, aber ihre Frage überraschte mich deshalb, weil ich einfach nicht glaubte, dass ich für so etwas geeignet wäre. Ich war etwas unorganisiert, außerdem von Natur aus sehr offenherzig, man konnte in mir lesen wie in einem Buch. [S.] hatte mich an der Universität kennengelernt, und wie die Behörde weiß, waren das nicht unbedingt meine besten Jahre. Meine Noten waren durchschnittlich. Ich trank nicht zu knapp. Ich war nicht unbedingt für Diskretion bekannt. Jemanden wie mich mit ungerührter Miene zu fragen, ob er der Behörde beitreten wolle – das kam mir vor wie ein Scherz.
    Als sie mich jedoch überzeugt hatte, dass sie es ernst meinte, war ich sprachlos. Und als ich dann wirklich begriff, was sie mich da gerade gefragt hatte, freute ich mich riesig. Ich freute mich, weil ich mir als Kind wie alle Kinder ausgemalt hatte, man würde mich fragen, ob ich der Behörde beitreten wolle. Ich hatte das für ungefähr so realistisch wie jede andere Kindheitsfantasie gehalten – Astronautin werden oder einen Prinzen heiraten. Meine Mutter hatte mir immer die alten Geschichten erzählt, wie viele andere Eltern sicher auch.

5. Geschichte der Behörde
(persönliches Verständnis der Agentin)
    Meine Mutter erzählte sie mir immer wie eine Art Märchen, als Gute-Nacht-Geschichte. Ihre Gründung. Als unsere Stadt vor langer Zeit unabhängig wurde, gab es ein paar Unverbesserliche, die die alte Ordnung aufrechterhalten wollten, erzählte sie mir, und weil diese dem ersten Herrscher Sorge bereiteten, wollte er sie ausrotten. Außerdem wollte er mehr über die Bevölkerung wissen, als er von den Fluren des Stadtpalastes aus in Erfahrung bringen konnte. Er brauchte differenzierte Informationen. Deshalb bat er seinen treuen Berater, dessen Namen wir niemals erfahren werden, in der Bevölkerung stellvertretend für ihn Augen und Ohren offen zu halten – gewissermaßen sein Agent zu werden.
    Dieser Mann, der erste Agent, hatte zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen. Im Laufe der Jahre weihte er jedes der beiden einzeln und im Vertrauen in seine Tätigkeit ein und bat sie um ihre Mithilfe. Keins der Kinder wusste, dass das andere ebenfalls gebeten worden war, Agent zu werden.
    Da die Bedrohungen für unsere Stadt nach und nach zunahmen, fragte jedes Kind einige seiner eigenen Vertrauten – einzeln, auf individuelle Art und diskret –, ob sie ihnen nicht bei ihrer Aufgabe helfen wollten. Und so hatte die Behörde über Generationen hinweg Bestand, einfach indem ein Agent einem anderen sozusagen auf die Schulter tippte.

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