Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)
in dieser Art. »Mal wieder nichts geschafft. Und du?« Es war ein Spiel, wohl eine Art Dauergag, in erster Linie zu meinem eigenen Vergnügen.
In all unseren Gesprächen – das will ich klar unterstreichen – habe ich nie irgendwelche geschützten Informationen preisgegeben.
Wie der Behörde bekannt ist, arbeitet [J.] als Berater in der [zensiert]-Branche. Er ist derzeit im [zensiert] eingesetzt. Er hat sämtliche Persönlichkeitstests der Behörde bestanden, die in regelmäßigen Abständen durchgeführt werden, in der Regel ohne sein Wissen. Wir lieben uns. Es gibt in unserer Beziehung keine ernsthaften Probleme. Wir haben uns noch nie getrennt und waren einander nie untreu. Wir sind seit vier Jahren ein Paar und planen für nächstes Jahr ein Baby.
Unser letzter Streit – um Sie voll und ganz auf den neuesten Stand zu bringen –, liegt etwa acht Monate zurück. Es ist wohl etwas beschämend. Mir wird gerade klar, dass ich neben dem, was der Behörde bekannt ist, kaum ein Privatleben habe, aber wie dem auch sei: [J.] ärgerte sich über mich, weil mir seine neue Tätowierung nicht aufgefallen war. Er hatte bereits mehrere, aber diese war neu.
Für einen [zensiert] ist er wohl etwas ruppig. Er hat bei der Städtischen Marine gedient, das erklärt vielleicht einiges.
Es stimmt, ich bin dazu ausgebildet worden, genau hinzusehen, aber ich vermute, ich bin bei der Arbeit von morgens bis abends so aufmerksam, dass ich einfach damit aufhöre, sobald ich nach Hause komme. Ich habe ein starkes Entspannungsbedürfnis. [J.] trug die Tätowierung auf dem Unterarm. Und es war mein Name. Mein Vorname, in eleganter Schreibschrift. Er hatte sie schon zwei Tage, bevor ich sie bemerkte. Wie gesagt: beschämend.
Er war sehr verärgert. Danach sprach er eine Woche lang kaum ein Wort mit mir. »Ich bemerke an dir wirklich alles«, sagte er mit einiger Empörung.
3. Frühere Ermittlungen
Als ich noch jünger war, bevor ich [J.] kennenlernte, war ich hin und wieder an Nahermittlungen beteiligt. Das wird von ungebundenen Agenten manchmal verlangt: Gefühle, Sexualität als Mittel zum Zweck zu benutzen. Wir sind dazu ausgebildet.
Meine kürzeste Ermittlung dieser Art dauerte, nun ja, einige Stunden. Die längste zog sich über etwa fünf Jahre, aber das war ein Sonderfall. Es war die Ermittlung über [Zielperson N.]. Fünf Jahre lang traf ich mich mit der Zielperson – das heißt, führte ich eine Beziehung mit ihr – allein zum Zweck der Observation und Informationsbeschaffung. Eine intensive Zeit. Die Schwierigkeit lag darin, die Distanz zu wahren und über einen so langen Zeitraum hinweg zu observieren. Ich habe natürlich eine Weile gebraucht, um in den Rhythmus hineinzufinden. Wie der Behörde bekannt ist, fiel es mir anfangs schwer. Doch es war auch lohnend; ich habe meine Disziplin und meine Konzentration in dieser Zeit sehr verbessert, und ich glaube, das schlug sich in der Qualität meiner späteren Berichte nieder. Außerdem war [N.] eine sehr interessante Zielperson, wie ich mit der Zeit feststellte. Auf eine Art war es erleichternd, als die Ermittlung im Fall [N.] endete, doch in anderer Hinsicht war es auch traumatisch, wie ich bereits dargelegt habe.
Ich betrachte eine solche Arbeitsweise als Täuschung im Dienst der Wahrheit. Ich war immer der Auffassung, dass alles, was ich in meiner Zeit bei der Behörde getan habe, alles, was mir in einem anderen Zusammenhang zu denken gegeben hätte, im Dienst der Wahrheitsfindung geschah. Ich glaube an die Wichtigkeit der Wahrheitsfindung. Aus vielen Details ergibt sich ein Bild. Es steckt so viel in einem Detail – in jedem einzelnen. Ich glaube daran, dass es wichtig ist, Informationen zu sammeln. Und es ist menschlich. Ich widme mich meinen Zielpersonen – widmen in dem Sinne, dass ich ihnen Aufmerksamkeit schenke – viel intensiver als einem normalen Partner. [N.] wird im Leben nie wieder jemanden haben, der so genau auf ihn achtet. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer.
Die Zielpersonen meiner Überwachung liegen mir am Herzen. Das sage ich aus ehrlicher Überzeugung. Wobei ich natürlich vermute, dass sie es nicht unbedingt genauso sehen würden. Aber ich würde es nicht tun, wenn ich das Gefühl hätte, jemandem zu schaden. Ich helfe den Menschen. Letzten Endes helfe ich sogar den Zielpersonen. Wenn man so will, bekommen wir dadurch ein klareres Bild von ihnen.
4. Eintritt in die Behörde
Ich wurde von einer Freundin eingeladen, der Behörde beizutreten,
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