Ich bin o.k. – Du bist o.k. • Wie wir uns selbst besser verstehen und unsere Einstellung zu anderen verändern können. Eine Einführung in die Transaktionsanalyse
alle auf das Kernproblem zurückgehen: Wie soll ich, wie kann ich mich entscheiden? Unentschlossenheit stürzt einen Menschen in tiefe Verunsicherung. Zuweilen will er sich aus diesem beängstigenden Schwebezustand retten, indem er den ersten besten anfleht: «Tu doch etwas – irgendetwas, aber tu’s!» Bei der Behandlung stoßen wir immer wieder auf zwei Haupthindernisse, die unsere Patienten nicht zu einer Entscheidung durchdringen lassen:
1. «Ich entscheide mich immer für das Falsche.» Dies sagt ein Mensch, der zwar Entscheidungen trifft und auch danach handelt, aber beides – Entscheidungen und Handlungen – schlägt in der Regel zu seinem Nachteil aus.
2. «Ich schlage mich andauernd mit derselben Sache herum.» Dies sagt ein Mensch, dessen Computer mit unerledigten Arbeiten oder mit immer noch nicht endgültig gefassten Beschlüssen vollgestopft ist.
Der erste Schritt zur Überwindung beider Hindernisse ist die Erkenntnis, dass bei jeder Entscheidung drei Datengruppen verarbeitet werden müssen. Die erste Datengruppe ist im Eltern-Ich, die zweite im Kindheits-Ich und die dritte im Erwachsenen-Ich gespeichert. Die Daten im Eltern- und im Kindheits-Ich sind gewissermaßen Archivmaterial, Zeugnisse einer längst vergangenen Zeit. Die Daten im Erwachsenen-Ich spiegeln die Erfahrungswelt so wieder, wie sie heute existiert, dazu kommt ein ungeheuer großer Datenvorrat, der sich unabhängig vom Eltern- und vom Kindheits-Ich in der Vergangenheit angesammelt hat. Daten aus allen drei Quellen werden nun von Transaktions-Impulsen angesprochen und wandern zur Verarbeitung in den Computer. Aber was wird den Ausschlag geben – das Eltern-Ich, das Erwachsenen-Ich oder das Kindheits-Ich? Vielleicht lässt sich dieser Vorgang am besten an einem Beispiel erklären.
Nehmen wir an, dass sich ein Geschäftsmann mittleren Alters, der als guter Vater, als guter Ehemann und als verantwortungsbewusster Bürger Ansehen genießt, entscheiden muss, ob er einen Aufruf unterschreiben soll, der in der Lokalzeitung erscheinen wird. Der Aufruf unterstützt ein Wohngesetz zur Rassenintegration, dass es Menschen aller Rassen ermöglichen soll, dort zu wohnen, wo sie es sich ihren Einkommen nach leisten können. Er wird telefonisch um seine Unterschrift gebeten; sobald er den Hörer auflegt, spürt er großes Unbehagen, er hat plötzlich ein ungutes Gefühl in der Magengegend, kurzum: er ärgert sich, weil man ihm den ganzen Tag gründlich verdorben hat.
Er muss eine Entscheidung treffen, die offenbar mit vielen Konflikten verbunden ist. Woher kommen die einander widersprechenden Daten?
Eine Quelle ist sein Eltern-Ich. Jetzt werden – neben anderen – etwa folgende «historische Originalaufnahmen» abgespielt: «Mach deiner Familie keine Schande!», «Nur nicht auffallen!», «Warum ausgerechnet du?», «Deine eigene Sippe kommt immer zuerst!» Solche Motive tönen wie helle Koloraturen aus dunkel wogenden Akkorden heraus, die das Ganze untermalen und den Stimmungshintergrund bilden. Diese Hintergrundmusik klingt in ihm fort seit seiner frühesten Kindheit daheim in den Südstaaten: «Man muss dafür sorgen, dass sie dableiben, wo sie hingehören.» Unter der Überschrift «Nigger» gibt es eine ganze Kategorie von Eltern-Ich-Daten, die nie nachgeprüft werden konnten. Diese Datengruppe wurde in der frühen Kindheit unter Verschluss getan mit strengen Anweisungen wie: «Frag nicht so viel!», «Weil er ein Nigger ist, darum!» – «Ich möchte nicht noch einmal hören, dass du davon anfängst!» (Selbst «harmlose» kleine Abzählreime wie
«Eenie, meenie, minie, mo, Catch a nigger by the toe»
prägen sich ein.)
Diese frühen Aufzeichnungen, im Laufe der Jahre noch verstärkt durch häufige «Predigten» der Eltern und durch weitere Beweise dafür, dass die Anwesenheit von Schwarzen zu Unruhen führen kann (zum Beispiel in Little Rock, Selma, Watts und Detroit), beeinflussen die Entscheidung dieses Mannes sehr nachhaltig.
Die Macht dieser Daten liegt darin, dass sie im Kindheits-Ich die alten Ängste wieder heraufbeschwören können. Das «einsachtzig große» Eltern-Ich drückt wieder auf das «dreikäsehohe» Kindheits-Ich, damit es sich fügt. Und so kommt nun die zweite Datengruppe ins Spiel: die des Kindheits-Ichs. Diese Daten manifestieren sich vorwiegend in Gefühlen: in Angstgefühlen vor dem, was «man» sagen wird, was geschehen würde, wenn meine Tochter «einen von denen heiraten wollte», was mit dem Wert
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