Ich. Darf. Nicht. Schlafen.
vorzuschlagen, Tagebuch zu führen. Alles aufzuschreiben, was Sie erfahren. Das hielt ich für das Beste.«
»Und was ist mit dem Angriff auf mich? Sie haben mich doch gerne in dem Glauben gelassen, ich wäre Opfer eines Autounfalls gewesen!«
»Christine, nein. Nein, das stimmt nicht. Das mit dem Unfall hat Ben Ihnen erzählt. Ich wusste nicht, dass er Ihnen diese Version erzählt. Woher denn auch?«
Ich dachte daran, was ich gesehen hatte. Badewasser mit Orangenblütenduft und Hände um meinen Hals. Das Gefühl, nicht atmen zu können. Der Mann, dessen Gesicht ein Geheimnis blieb. Ich heulte los. »Warum haben Sie mir es dann überhaupt erzählt?«, sagte ich.
Er sprach sanft, berührte mich aber noch immer nicht. »Das habe ich nicht«, sagte er. »Ich habe Ihnen nicht erzählt, dass Sie angegriffen wurden. Daran haben Sie sich selbst erinnert.« Er hatte natürlich recht. Ich empfand Wut. »Christine, ich –«
»Ich möchte, dass Sie gehen«, sagte ich. »Bitte.« Ich weinte jetzt haltlos, fühlte mich aber seltsamerweise lebendig. Ich wusste nicht, was gerade geschehen war, konnte mich kaum erinnern, was gesagt worden war, aber trotzdem war mir, als wäre irgendetwas Schreckliches von mir abgefallen, irgendein Damm in mir endlich gebrochen.
»Bitte«, sagte ich. »Bitte gehen Sie.«
Ich dachte, er würde Einwände erheben. Mich bitten, bleiben zu dürfen. Ich hätte es mir fast gewünscht. Doch er tat es nicht. »Sind Sie sicher?«, fragte er.
»Ja«, flüsterte ich. Ich wandte mich zum Fenster, entschlossen, ihn nicht wieder anzusehen. Nicht heute, was für mich bedeutet, dass es morgen für mich so sein wird, als hätte ich ihn nie im Leben gesehen. Er stand auf, ging zu Tür.
»Ich rufe Sie an«, sagte er. »Morgen? Ihre Behandlung. Ich –«
»Gehen Sie einfach«, sagte ich. »Bitte.«
Er sagte nichts mehr. Ich hörte, wie die Haustür ins Schloss fiel.
Ich blieb eine Weile sitzen. Einige Minuten? Stunden? Ich weiß es nicht. Mein Herz raste. Ich fühlte mich leer, und allein. Schließlich ging ich nach oben. Im Badezimmer sah ich mir die Fotos an. Mein Mann. Ben.
Was habe ich getan?
Jetzt habe ich gar nichts mehr. Niemanden, dem ich vertrauen kann. Niemanden, an den ich mich wenden kann. Meine Gedanken überschlugen sich. Ich musste ständig daran denken, was Dr. Nash gesagt hatte.
Er liebt Sie. Er will Sie schützen.
Aber vor was will er mich schützen? Vor der Wahrheit. Ich hielt die Wahrheit für das Wichtigste überhaupt. Vielleicht täuschte ich mich ja.
Ich ging ins Arbeitszimmer.
Er hat mir so viele Lügen erzählt. Nichts kann ich ihm glauben. Gar nichts.
Ich wusste, was ich tun musste. Ich musste es wissen. Wissen, dass ich ihm in dieser einen Sache vertrauen konnte.
Die Schatulle war da, wo sie laut meinem Tagebucheintrag sein musste, abgeschlossen, wie ich erwartet hatte. Ich regte mich nicht auf.
Ich machte mich an die Suche. Ich schwor mir, nicht eher aufzuhören, bis ich den Schlüssel gefunden hatte. Zuerst durchsuchte ich das Arbeitszimmer. Die anderen Schubladen, den Schreibtisch. Ich ging systematisch vor. Ich legte alles an die Stelle zurück, wo ich es gefunden hatte, und als ich damit fertig war, ging ich ins Schlafzimmer. Ich sah in den Kommodenschubladen nach, suchte tief unter Bens Unterwäsche, den Taschentüchern, ordentlich gebügelt, den Unterhemden und T-Shirts. Nichts, und auch in meinen Schubladen war nichts.
Die Nachttische hatten auch Schubladen. Ich ging zuerst zu dem auf Bens Seite des Bettes. Ich öffnete die obere Schublade und durchsuchte den Inhalt – Stifte, eine Armbanduhr, die stehengeblieben war, ein Streifen Tabletten, die mir nichts sagten –, dann zog ich die untere Schublade auf.
Zuerst dachte ich, sie wäre leer. Aber als ich sie sachte wieder schloss, hörte ich ein leises Klappern, Metall auf Holz. Ich öffnete sie wieder, und mein Herz begann, wild zu pochen.
Es war ein Schlüssel.
Ich setzte mich mit der offenen Schatulle auf den Fußboden. Sie war voll. Größtenteils Fotos. Von Adam und mir. Einige kamen mir bekannt vor – ich vermute diejenigen, die Ben mir bereits gezeigt hatte –, aber nicht viele. Ich fand Adams Geburtsurkunde, den Brief, den er an den Weihnachtsmann geschrieben hatte. Stoßweise Fotos von ihm als Baby – grinsend auf die Kamera zukrabbelnd, nuckelnd an meiner Brust, schlafend, in eine grüne Decke gewickelt – und wie er heranwuchs. Das Foto, auf dem er als Cowboy verkleidet war, die
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