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Ich durchschau dich!: Menschen lesen - Die besten Tricks des Ex-Agenten (German Edition)

Ich durchschau dich!: Menschen lesen - Die besten Tricks des Ex-Agenten (German Edition)

Titel: Ich durchschau dich!: Menschen lesen - Die besten Tricks des Ex-Agenten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Martin
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und deshalb verdächtig ist. Um dennoch nah ranzukommen, bleibt in solchen Fällen oft nur die Möglichkeit, eine Kontaktwohnung anzumieten. In städtischen Bereichen hat man häufig Glück und findet zum Beispiel ein Hotelzimmer mit Blick aufs Zielobjekt. Das ist am einfachsten und unauffälligsten. Schräg gegenüber von Sarai-Reisen gab es ein in die Jahre gekommenes Ein-Sterne-Hotel. Wofür der Stern stand, war mir schleierhaft. An der Ausstattung konnte er jedenfalls nicht hängen. Die routinemäßige Abklärung des Inhabers ergab, dass er der Cousin von Bülents Schwager war. Die komfortable Variante schied also aus. Hierzu gehören ebenfalls leer stehende Wohnungen oder Büros. Auch solche Objekte werden gern von uns bezogen. Doch sie existierten nicht im Umfeld von Sarai-Reisen.
     
    Einen Döner in der Hand erkundete ich die Gegend. Die beste Sicht auf Sarai hatten die Bewohner im Haus gegenüber. Ein Blick auf das Klingelschild verriet, dass es auch hier nicht ganz einfach werden könnte, eine Kontaktwohnung zu beschaffen: Dobokan, Bulut, Gögetap, Nastri, Zlaty, Kazmierczak, Özobar. Höchst wahrscheinlich waren die Mieter gut miteinander vernetzt – als Auswanderer in einem fremden Land. Ein direkter Kontakt zu Bülent konnte nicht ausgeschlossen werden. Es war keine Option, uns bei einem seiner Leute einzumieten.
     
    Im Hauptquartier schaute ich mir die zwei einzigen einheimischen Namen auf dem Klingelschild genauer an: Kindshuber und Mühlthaler. So wie mir die anderen Namen ihre Herkunft verraten hatten, tippte ich hier auf alteingesessene Münchner, was natürlich keinen vorbehaltlosen Vertrauensvorschuss bedeutete. Die EWO-Datenbank, die elektronische Datei der Einwohnermeldebehörde, offenbarte mir nach einem kurzen Mausklick, dass sich hinter dem Namen Kindshuber ein René, geboren 1978 in Vaterstetten, verbarg. Mit einem weiteren Klick wechselte ich in den Kriminalaktenbestand der Polizei. Dort hatte Kindshuber schon des Öfteren arbeiten lassen: mehrfache Betäubungsmitteldelikte, Fahrerflucht, vier Betrugsfälle, zweimal beim Schlägern erwischt. Schade. Blieb noch Mühlthaler. Ich tippte den Namen und bekam das Ergebnis: Theresia, geboren 1935 in München. Obwohl ich nicht annahm, dass Frau Mühlthaler zu unseren Kunden gehörte, überprüfte ich sie. Kein Eintrag. Weil ich gerade dabei war, schaute ich mir auch die anderen zweiundzwanzig Hausbewohner an. Zwei weitere waren polizeibekannt.
     
    Theresia Mühlthalers Weste war blütenrein. Das sprach für ihre Integrität. Allerdings hatten wir so gut wie keine Informationen über sie. Wer war diese ältere Dame? Verheiratet, alleinstehend, verwitwet? Fit oder gebrechlich? »Rüstig oder rostig?«, hatte das bei meiner Großmutter geheißen. War Theresia Mühlthaler mit ihren fünfundsiebzig Jahren belastbar genug, um uns bei einer geheimen Mission zu unterstützen? Würde sie überhaupt verstehen, was wir von ihr wollten?
    Ich studierte den Gebäudeplan mit den Grundrissen. Keine der Wohnungen lag optimal. Von der mäßigen Auswahl war die von Theresia Mühlthaler noch am besten. Kein frontaler, aber doch ein seitlicher Blick auf die Eingangstür und die Schaufensterfront des Reisebüros. Nein, das gefiel mir alles nicht. Aber hatten wir eine Wahl?
    »Und wenn das jetzt eine rechte Ratschkattl ist«, befürchtete Sabine, »die kein Geheimnis für sich behalten kann und nichts Besseres zu tun hat, als alles im Treppenhaus herauszuposaunen: Bei mir gehn’s ein und aus, die vom Geheimdienst.«
    Wie immer, wenn Sabine versuchte, bayerisch zu sprechen, musste ich grinsen.
    »Wir schauen sie uns trotzdem mal an«, sagte ich.
    »Vielleicht ist es gar nicht schlecht, dass die so alt ist. Da kannst ’nen Pflegeschein machen und den Zivi spielen«, witzelte Sabine.
    Damit hatte sie gar nicht so unrecht. Das hohe Alter der Dame brachte auch Vorteile mit sich. Schließlich würden wir allerhand technisches Equipment in ihre Wohnung bringen müssen und uns mehrmals täglich dort blicken lassen. Da wäre die Legende Pflegedienst glaubhaft. Die beste Methode, eine geheime Mission geheim zu halten, ist es, dafür zu sorgen, dass andere gar nicht auf die Idee kommen, es gäbe eine geheime Mission. »Ich rufe mal den Bergmann an«, ließ ich Sabine wissen.
    »Gute Idee.« Sie nickte.
     
    Unser Kollege Bergmann war ein Phänomen. Er hatte in den vergangenen Jahren jede Wohnung für uns erjagt, die wir haben wollten. Und nicht nur für unsere Einheit. Man

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