Ich & Emma
abgewischt, weil kein Toilettenpapier da war. Aber so war es nicht gewesen.
“Du steckst ganz schön tief in der Tinte, junge Dame”, sagte Mama. “Bis zum Hals steckst du da drin.”
“Hör auf deine Mutter.” Daddy gab es auf, auf eine Erklärung von mir zu warten.
Er ging aus dem Zimmer, ich lauschte dem Plan meiner Mutter, wie ich es wieder gutmachen konnte, der Schule gegenüber, ihr und Miss Hall gegenüber, aber mein Herz hatte mit Daddy den Raum verlassen.
Nie mehr habe ich so etwas getan, ich habe es aber auch nie vergessen.
Von diesem Augenblick an habe ich versucht, das liebste kleine Mädchen zu sein, das Mama jemals unter die grasgrünen Augen getreten ist. Ich putzte die Küche, wenn sie einmal die Woche backte, achtete darauf, auch den letzten Rest Mehlstaub rauszukehren. Ich habe die schwarzen Eisenplatten vom Herd genommen, die zusammenpassen wie Puzzleteile und polierte jede einzelne. Ich schlug die Teppiche aus dem Wohnzimmer über dem Verandageländer aus, so, wie Mama es gerne hatte, sah, wie Haare und Staubfusel und Blätter vom Wind erfasst wurden und in die Sonnenstrahlen schwebten. Ich versuchte, alles richtig zu machen, damit Mama mich kurz bevor ich ins Bett ging, auf die Stirn küssen würde wie früher.
Es dauerte eine Zeit, bis ich Daddy wieder in die Augen sehen konnte, aber bald schon nannte er mich wieder Prinzessin und klopfte auf seinen Schoß, damit ich raufkletterte.
Es funktioniert also, wenn man Fehler wieder gutmacht. Doch vielleicht nicht bei Richard.
Ich habe mich wirklich bemüht, damit nicht zu viel Wasser aus dem Eimer spritzt, aber ich stolperte über eine Wurzel, deswegen habe ich auf dem Rückweg doch einiges verschüttet. Es ist aber noch genug zum Putzen da, denke ich. Meine Finger, mit denen ich den Holzgriff umklammere, haben erst richtig wehgetan, jetzt spüre ich sie gar nicht mehr. Als ich den Eimer vor der Tür absetze, kann ich die Hand nur einen winzigen Spalt öffnen, nur so weit, dass der Griff herausrutscht. Dann biege ich jeden einzelnen Finger auf, es ist, als ob man alte Türen öffnet, die quietschen und knarren.
“Wo wart ihr?” Mama stürzt durch den Rahmen einer Fliegengittertür (das Gitter selbst ist nicht mehr da, nur noch das Holz, das es eigentlich halten soll). Sie wartet gar keine Antwort ab, schnappt sich nur den Eimer, und plötzlich sieht es so aus, als ob er gar nicht schwer wäre. Sie trägt ihn ins Haus, das noch genauso aussieht wie vorhin, bloß blinzle ich diesmal, weil ich weiß, dass es drinnen dunkel sein wird.
“Nachdem ihr von eurem kleinen Ausflug zurückgekehrt seid, könnt ihr jetzt die Fenster putzen”, sagt sie und eine Bürste platscht in den Eimer. “Erst die Scheiben nass machen, dann mit der Seife und Lappen einreiben. Danach den ganzen Dreck mit der Bürste abwaschen. Und bloß nicht die Spalten vergessen.”
“Was für Spalten?” flüstert Emma.
“Ist mir zu hoch”, antworte ich. “Wir sollten einfach gleich den Rahmen putzen, wenn wir schon mal dabei sind. Dann sind wir auf der sicheren Seite.”
Ab und zu fegt Mama durchs Zimmer. Sie beginnt, die Kisten auszuräumen, verschwindet kurz wieder, taucht dann durch die Küche wieder auf und wischt sich mit einem Mop den Weg bis zum Wohnzimmer, wo wir gerade an dem letzten Fenster arbeiten. Richard trampelt nach oben, wo er vermutlich alles auspackt. Er hat eine Bierdose mitgenommen und ist bisher nicht zurückgekommen, um eine zweite zu holen. Das ist wohl ein gutes Zeichen.
Ich denke über die neue Schule nach und wie Emma und ich hier in der Provinz von einem Ort zum anderen kommen sollen, als es mir wieder einfällt. Mama sagte doch, dass wir uns keine Gedanken über die Schule zu machen bräuchten, deshalb fange ich damit an. Mit dem Sorgen machen.
“Mama? Wie wird das mit der Schule?” frage ich über meine Schulter.
“Denk nicht an die Schule. Da oben in der rechten Ecke sehe ich noch einen Streifen.”
Ich weiche etwas zurück, um hochzusehen und entdecke ihn. Mit dem Lappen entferne ich ihn wie einen Moskito, der getötet werden muss.
“Aber wo werden wir zur Schule gehen?” fragt Emma.
“Fang nicht damit an.” Und weg ist sie wieder.
An manchen Tagen kann man mit Mama reden, an anderen nicht.
“Lass sie einfach, Kind”, sagte Oma. “Lass sie einfach.”
Daddy war unterwegs, um seine Teppiche zu verkaufen, und Mamas Tür war fest verschlossen. Meine Großmutter wohnte eine Zeitlang bei uns.
Mit Tränen kann sie nicht
Weitere Kostenlose Bücher